Justizministerin Simonetta Sommaruga (58) war am Montag nach Zürich gekommen, um den Grundstein für das erste neue Bundesasylzentrum zu legen. In solchen Zentren will der Bund 60 Prozent der Asylgesuche innerhalb von 140 Tagen rasch rechtskräftig erledigen.
Ein Freudentag, denn für den Bau auf dem Duttweiler-Areal hatten sich 70 Prozent der Stadtzürcher Stimmbevölkerung und sogar 75 Prozent der Bewohner der Standortkreise 4 und 5 ausgesprochen.
Zudem gehen die Asylgesuche in der Schweiz kontinuierlich zurück. Auch in Europa sind die Asylzahlen lange nicht mehr so hoch wie 2015 und 2016.
Asylstreit trotz leerer Flüchtlingszentren
Dennoch bleibt Migration ein Reizthema. Derzeit tobt innerhalb der EU ein Streit über den Umgang mit und die Verteilung von Flüchtlingen. Stein des Anstosses sind die sogenannten Dublin-Regeln. Sie besagen, dass derjenige Staat, in dem ein Asylsuchender zum ersten Mal europäischen Boden betritt, auch für dessen Asylgesuch zuständig ist.
Das hat für die meisten EU-Staaten Vorteile. Für Mittelmeerstaaten wie Italien aber überwiegen die Nachteile: Weil viele Migranten übers Mittelmeer nach Italien gelangen, muss unser südliches Nachbarland überdurchschnittlich viele Asylgesuche stemmen.
Zu den Profiteuren des Dublin-Systems gehört auch die Schweiz. Sie kann als Dublin-Mitglied eine Vielzahl der Asylsuchenden nach Italien zurückschieben.
Lösung wird ohne die Schweiz besprochen
Länder wie Italien, neu aber auch Österreich und der Freistaat Bayern wollen nun eine andere Lösung. Angestossen hat die Diskussionen der deutsche Innenminister Seehofer – nicht ganz zufällig, denn in seiner Heimat Bayern finden im Herbst Wahlen statt. Und seiner Partei CSU bangt davor, dass sich ihre Wähler in Richtung AfD verabschieden. Daher fährt Seehofer nun eine harte Linie und fordert, dass Deutschland Asylsuchende nicht mehr einreisen lässt, wenn diese schon in einem anderen europäischen Land registriert sind.
Am Donnerstag und Freitag treffen sich die EU-Staatschefs, um Lösungen zu finden. Als Nicht-EU-Staat wird die Schweiz nicht dabei sein. Dabei hat jede Neuregelung auch Auswirkungen auf unser Land. Denn was passiert, wenn Deutschland die Grenze tatsächlich dichtmacht? Und was – das wäre für die Schweiz viel einschneidender –, wenn die neue populistische Regierung Italiens sich weigert, Flüchtlinge zurückzunehmen, die unter das Dublin-System fallen?
Offiziell sagt Sommaruga dazu wenig Konkretes. Ausser: «Ich bin sehr besorgt über die Entwicklungen in Europa.» Und dass sie in Kontakt mit Dimitris Avramopoulos stehe, dem EU-Kommissar für Migration. Sie sorge sich vor allem darum, was der Streit in der EU für die Flüchtlinge bedeute.
Schweiz unterstützt Italien
Gerade Italien leidet unter den Dublin-Regeln – hat die momentane Asylsituation aber so gut im Griff wie seit Jahren nicht mehr. Dennoch fordert es schon länger eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge. Wovon andere Länder wie Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei aber nichts wissen wollen.
Die Schweiz unterstützt die Forderung Italiens nach einem Verteilschlüssel seit Jahren (BLICK berichtete). Schon in zwei Wochen wird sich Sommaruga mit den Justiz- und Asylministern der EU-Staaten treffen. Das Thema Flüchtlinge dürfte da einmal mehr zuoberst auf der Agenda stehen.