BLICK: Herr Freiburghaus, die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU steuern auf einen neuen Tiefpunkt zu. Dabei schien doch alles wieder gut zu sein.
Dieter Freiburghaus: Die Eskalation hatte schon angefangen, als alle noch von Tauwetter geredet haben. Nur hat das niemand gemerkt, weil Schweizer Politiker nicht in der Lage sind, die EU richtig einzuschätzen.
Was heisst das?
Hierzulande versteht niemand, wie die EU funktioniert. Die Zeit des Rosinenpickens ist vorbei. Und doch lässt die Schweiz es immer wieder darauf ankommen. Bis zum Punkt, an dem die Hütte brennt wie nach Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative.
Auch heute hat der Bundesrat recht scharf reagiert. War das richtig so?
Nein. Wenn man einen mächtigen Nachbarn hat, ist Grossmannssucht keine vernünftige Politik. Trotzdem setzt der Bundesrat auf Eskalation. Es wird wohl nicht zu einem Boxkampf zwischen Frau Leuthard und Herrn Juncker kommen, aber alles wird viel schwieriger werden.
Dann muss sich die Schweiz jede Erpressung aus Brüssel gefallen lassen?
Was heisst hier Erpressung? Die EU drängt seit zehn Jahren auf ein Rahmenabkommen, das die Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen regelt. Doch die Schweiz tut nichts, ausser dieses immer wieder hinauszuzögern. Das will sich Brüssel nicht länger bieten lassen und setzt nun Druck auf. Das ist einfach logisch.
Und verschlechtert die Beziehungen.
Aber es passiert ja noch gar nichts. Die Börse wurde nicht diskriminiert, sondern kann erst mal so weiterarbeiten wie bisher. Brüssel hat der Schweiz damit ein Jahr Zeit gegeben, vorwärtszumachen und das Rahmenabkommen endlich ernsthaft zu verhandeln.
Wozu? Vor dem Volk hat das Abkommen keine Chance.
Kein Wunder! Denn die Politik hat es verpasst, die Bevölkerung darauf vorzubereiten. Stattdessen bezeichnet man die Kohäsionsmilliarde als «Geschenk». Obwohl sie der Eintrittspreis für den Binnenmarkt ist. Wenn Sie ins Kino wollen, müssen Sie ja auch bezahlen. Doch das will heute kein Politiker mehr laut sagen – aus Angst, Wähler zu verlieren. Doch irgendwann muss die Wahrheit ans Licht.