«Der Entscheid ist gefallen, die Post schliesst», sagt die Gemeinde Muotathal SZ. «Die Poststelle ist erst dann zu, wenn sie zu ist», entgegnet Elsy Föhn (89). Sie weiss, wovon sie spricht. Keiner im Gemeinderat kann ihr in Sachen Lebenserfahrung das Wasser reichen. Föhn ist bald 90 Jahre alt.
Am Posthauptsitz in Bern rechnen sie mit allem. Mit zumutbaren Wegstrecken bis zur nächsten Poststelle, mit Umsatzzahlen und Personalkosten – nicht aber mit Elsy Föhn und ihrer Schwägerin Luise Bürgler (78).
Bürgler hat innert kurzer Zeit 500 Unterschriften gegen die Postschliessung in Muotathal gesammelt. Und Elsy Föhn hat einen Brief geschrieben. «Aber nicht an die da unten. Nicht an die von der Post, die alle meinen, sie seien viel mächtiger, als sie sind. Auch dieser Schwaller», sagt sie.
Schwaller muss «folgen»
Post-Präsident Urs Schwaller (66) hat Föhns Zorn auf sich gezogen. «Er muss folgen, nicht uns vogten», sagt die Frau, die beim Reden mit ihren Armen herumfuchtelt, seit sie sich hingesetzt hat. Mit Stehen und Gehen hat sie es nicht mehr so gut.
Zuoberst, an die müsse man sich wenden, sagt die Muotathalerin. Sie habe etlichen Bundesräten und vielen anderen Persönlichkeiten geschrieben. «Ob ich Antwort erhalten hab? Natürlich, mir schreiben sie immer zurück.» Mit Blocher gebe es einen ganzen Briefverkehr. Er sei immer freundlich gewesen.
Jetzt hat sich die Seniorin an Postministerin Simonetta Sommaruga (59) gewandt. Eben nicht an die «da unten bei der Post». Ja, auch Sommaruga hat zurückgeschrieben – «die Chefin von Schwaller». Schwaller, ihn kann sie nicht leiden, «weil er in einem Interview sagte: ‹Ich wünsche keine Subventionen›.»
Der Tod ihrer Tochter lehrte sie das Kämpfen
«Wir wissen in der Schweiz ja nicht, wohin mit dem Geld. Ich sage ihnen wohin: zu den Leuten. Für sie müsse es ausgegeben werden. Auch für die auf dem Land», betont sie.
Elsy Föhn ist das Kämpfen gegen die Obrigkeiten gewohnt. Dahinter steckt ein schwerer Schicksalsschlag. Wenn sie davon erzählt, hat sie von einem auf den anderen Moment einen traurigen Blick. «Ich musste zusehen, wie mein gut zweijähriges Mädchen in ein Auto lief und es tot von der Strasse aufheben. Da hinten. Mit dem Tod meiner Tochter begann mein persönlicher Kampf.» Nie wieder sollte ein Kind hier unter ein Auto kommen.
Das war 1966. Sieben Jahre später wollten sie dann die Strasse verbreitern, aber sie nicht mit einem Trottoir sicherer machen. «Es wurde schon gebaut. Alle sagten, wir hätten keine Chance mehr auf ein Trottoir. Da nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und habe den Regierungsrat Reichmuth einfach angerufen. Ich habe ihm von meiner Tochter erzählt. Reichmuth verstand. Noch am Telefon versprach er mir das Trottoir – und er hielt Wort.» Darauf ist sie heute noch stolz.
Muotataler stehen hinter Rentnerinnen
Auch für ihren heutigen Kampf erhält Elsy Föhn grossen Support. BLICK trifft in Muotathal zahlreiche Passanten, welche die Rettung ihrer Poststelle fordern. Eine davon ereifert sich: «Die Werbung, dass die Post für alle da ist – das ist doch schlichtweg gelogen. Das sieht man hier im Muotatal eindrücklich.»
Am Donnerstagvormittag waren die beiden Schwägerinnen von der Post eingeladen worden. «Zwei Poststellen-Bestatter wollten uns einreden, dass wir keine Chance hätten», erzählt Luise Bürgler. «Und dass die Paketabgabe ein vollwertiger Ersatz sei für eine richtige Post.» Die nächste richtige Poststelle wäre neu in Schwyz.
Zwanzig Minuten Weg zu Fuss und mit dem öffentlichen Verkehr seien zumutbar. «Nach Schwyz schafft man das mit dem Bus aber nicht in dieser Zeit», so Luise Bürgler. «Zudem muss man dann noch fünf Minuten zu Fuss gehen bis zur Post.»
Gewerkschaft startet schweizweite Petition
«Aber es gibt ja tausend Ausreden», sagt Fred Föhn (63), der Sohn von Elsy, der Mutter und Tante in ihrem Kampf unterstützt. Und er ist ebenfalls nicht untätig geblieben. Er hat die Gewerkschaft Syndicom eingeschaltet.
Dort ist er auf offene Ohren gestossen: Die Gewerkschaft sieht nicht mehr länger zu, wie der gelbe Riese sich selbst zerstört. Heute Freitag startet Syndicom eine schweizweite Petition, mit der das Schweizer Parlament aufgefordert wird, bis Ende Jahr die Post in gesetzliche Schranken zu weisen und den «Kahlschlag bei den Poststellen» zu stoppen.
Es droht eine Initiative
Gewerkschafter David Roth (34) fordert, dass die Politik jetzt endlich «Nägel mit Köpfen macht und den Service public stärkt». Das kann sie schon am Montag angehen. Dann berät die zuständige Ständeratskommission im Beisein Sommarugas entsprechende Anträge.
Lässt die Politik die Post aber weiterhin gewähren, drohen dem gelben Riesen weiterreichende Einschränkungen: Gewerkschaftskreise wälzen Pläne, Poststellenschliessungen per Volksinitiative zu unterbinden.