«Putzhässig» trat Bundesanwalt Michael Lauber (53) am Freitagnachmittag vor die Medien. Eine Stunde zuvor hatte die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) bekannt gegeben, dass sie ein Disziplinarverfahren gegen ihn einleitet.
Ein externer Fachmann soll herausfinden, ob der Bundesanwalt im Zusammenhang mit den Fifa-Verfahren, die seine Behörde führt, Amtspflichten verletzt hat. Es geht dabei vor allem um Treffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino (49) – die Lauber nicht protokolliert hat und an die er sich auch nicht mehr gänzlich erinnert.
In einem Monat steht seine Wiederwahl an
Dass der sonst so kontrollierte Lauber derart empfindlich auf die Neuigkeit reagierte, hat einen Grund: Eigentlich steht am 19. Juni seine Wiederwahl durchs Parlament an. Und nächste Woche wird die Gerichtskommission (GK) entscheiden, ob sie Lauber zur Wiederwahl vorschlägt oder den Termin verschiebt, bis die Disziplinaruntersuchung beendet ist.
Fast eine halbe Stunde zu spät erschien Lauber vor den Medien – er kam aus einer Anhörung im Bundeshaus, wo verschiedene Gremien derzeit darüber beraten, ob sie Lauber der GK empfehlen können. Dort muss ihm klar geworden sein: Die Politiker können nicht einfach über die Disziplinaruntersuchung hinwegsehen. Sie ist ein Tolggen im Reinheft des erfolgsverwöhnten Bundesanwalts – und könnte die GK veranlassen, am Mittwoch die Wahlverschiebung zu beschliessen oder – schlimmer – ihn nicht zur Wahl vorzuschlagen.
Lauber zielt auf Uster
Das zerrt an den Nerven, zumal Lauber schon wochenlang unter Beschuss ist. Der Frust bahnte sich gestern einen Weg nach draussen und fand ein Ziel: Hanspeter Uster (61), ehemaliger Untersuchungsrichter und heute Präsident der AB-BA. «Ich habe erfahren müssen, dass die Aufsicht unter ihrer jetzigen Präsidentschaft nicht einmal in Betracht zieht, dass ich die Wahrheit gesagt haben könnte», attackierte Lauber seinen Chefaufseher. «Das ist nicht nur eine Enttäuschung, das ist eine Anmassung!»
Damit habe die AB-BA eine institutionelle Krise der Bundesanwaltschaft «heraufbeschworen», die «absolut unnötig» sei, die Unabhängigkeit der Behörde aufs Spiel setze und wichtige Verfahren gefährde.
Er werde sich mit allen Mitteln gegen die Unterstellungen wehren, kündigte er an – und seine Sicht der Dinge darstellen. Gleichzeitig bekräftigte er seine Kandidatur für die Wiederwahl. Es sei «absurd, meinen Kopf zu fordern wegen Erinnerungslücken».
Lauber wittert Verschwörungstheorien
Dass seine Erinnerungslücken das Funktionieren der Bundesanwaltschaft gefährden und damit auch die Aufsicht auf den Plan rufen mussten, verneinte Lauber. Vielmehr unterstellte er der AB-BA, dass sie sich von «teilweise bewusst geförderten Spekulationen, Mutmassungen, Verschwörungstheorien und Fehlinterpretationen» habe leiten lassen. Auch liess er durchblicken, dass er ehemalige Mitarbeiter im Verdacht hat, Spekulationen anzuheizen. Oder Kräfte, denen er zu unbequem ist, deren Machenschaften er «störe».
Lauber sieht sich verschiedenen Vorwürfen ausgesetzt: Etwa, er habe das Gesetz verletzt, weil er Treffen mit Infantino nicht protokolliert habe. Auch das fehlende Gedächtnis kratzt an seiner Glaubwürdigkeit. Nun kommt noch der Verdacht auf Amtsgeheimnisverletzung hinzu. Denn mit dem Oberwalliser Staatsanwalt Rinaldo Arnold (43) nahm auch ein unbeteiligter Dritter an den Treffen zwischen Lauber und Infantino teil (BLICK berichtete).