Diskussion um Kriegsmaterial neu entfacht
Frauenallianz kämpft gegen Waffenexporte

Töten mit Schweizer Präzision: Die hiesige Waffenindustrie will auch in Länder liefern, wo Konflikte herrschen. Bisher entscheidet der Bundesrat im Alleingang. BDP-Chef Martin Landolt will hier die Landesregierung entmachten. Er hat die Rückendeckung einer Frauenallianz.
Publiziert: 22.05.2018 um 20:40 Uhr
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Aktualisiert: 03.11.2018 um 22:21 Uhr
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Werden exportiert: Rapier-Einheiten zur Flugabwehr.
Foto: Keystone
Cinzia Venafro

Der Wunsch der Rüstungsindustrie ist dem FDP-Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (66) Befehl: Er überarbeitet für sie die Richtlinien für Waffenexporte. Im Alleingang.

Jetzt will BDP-Chef Martin Landolt (50) dafür sorgen, dass auch das Parlament mitreden kann. Der Glarner Parteichef wird in der Sommersession kommenden Montag einen Vorstoss einreichen, der verlangt, dass Richtlinien für Waffenexporte vom Parlament festgelegt werden.

Will Bundesrat entmachten: BDP-Präsident Martin Landolt.
Foto: GIAN EHRENZELLER


Es soll für die Stimmbürger möglich sein, das Referendum zu ergreifen und letztlich zu verhindern, dass beispielsweise Waffen aus der Schweiz nach Syrien geliefert werden. Der Bundesrat konnte solchen Lieferungen bislang keinen Riegel schieben.

Dennoch sind die Rüstungsfirmen unzufrieden. Sie wollen nämlich künftig noch mehr Kriegsmaterial liefern. Selbst in konfliktreiche Staaten. Geht es nach dem Willen Schneider-Ammanns, haben Volk und Parlament nichts dazu zu sagen.

«Bundesrat hebelt die Menschenrechte aus»

Das will Landolt ändern – und er ist bei weitem nicht der Einzige: Besonders die Parlamentarierinnen machen mobil gegen die Lockerung der Ausfuhrbestimmungen für Waffen. Lob für Landolts Vorstoss kommt erwartungsgemäss von linker Seite, aber nicht nur: SP-Sicherheitspolitikerin Chantal Galladé (45) unterstützt Landolt «zu hundert Prozent». Es sei zudem schön zu sehen, dass dieser Vorstoss von der bürgerlichen Seite komme. 

Unterstützung für die BDP: SP-Nationalrätin Chantal Galladé.
Foto: PETER SCHNEIDER

«Das Volk versteht es nicht, dass die Schweiz Waffen in Länder wie Saudi-Arabien exportiert», erklärt Galladé. Der Bundesrat heble faktisch die Menschenrechte aus, indem er «per Verordnung die saudische Garde mit Schweizer Waffen ausrüstet». Die Zürcherin ist überzeugt, dass der Bundesrat viele Waffenexporte nicht erlauben würde, müsste er vor dem Volk damit geradestehen.

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Grünliberale wollen ebenfalls, dass Waffenexporte vors Volk kommen können

Den Zuspruch von GLP-Fraktionschefin Tiana Angelina Moser (39) hat Landolt ebenfalls. «Die Kriterien für die Waffenexporte werden seit Jahren schrittweise gelockert. Es reicht jetzt. Die Aufweichung widerspricht unserer Aussenpolitik und schadet der internationalen Glaubwürdigkeit der Schweiz», so die Zürcherin.

Hofft auf FDP und SVP: Grüne Nationalrätin Sibel Arslan.
Foto: GAETAN BALLY

Arslan hofft auf FDP und SVP

Und auch von grüner Seite gibt es Unterstützung. «Das ist ein guter Vorschlag. Die Übung, die wir im Moment haben, funktioniert nicht!», so Sibel Arslan. «Wir verkaufen Waffen ins Ausland, die in Kriegsgebieten benutzt werden, aus denen Flüchtlinge zu uns kommen.» Das sei verlogen, meint die Basler Nationalrätin. Die Schweiz mache ihre Neutralitätspolitik damit unglaubwürdig.

Und so schielt Arslan auf bürgerlichen Zuspruch: «Ich hoffe, dass die FDP und die SVP unsere Neutralität jetzt endlich über Wirtschaftsinteressen stellen: Das Volk und das Parlament müssen mitentscheiden, an wen die Schweiz Waffen liefert.»

Keine Ausweitung der Kriegsmaterialverordnung: SVP-Nationalrätin Natalie Rickli.
Foto: LUKAS LEHMANN

SVP-Rickli will auch keine Ausweitung der Kriegsmaterialverordnung

Zumindest Zuspruch gibt es von Natalie Rickli (41). «Der Bundesrat sollte nicht neue potenzielle Neutralitätsverletzungen in Kauf nehmen. Deshalb bin ich dagegen, dass die Kriegsmaterialverordnung ausgeweitet wird», so die Zürcher SVP-Nationalrätin.

Den Weg, den Mitte-links unterstützt, findet die SVP-Frau nicht optimal. Landolts Vorschlag, dass jedes einzelne Rüstungsgeschäft durchs Parlament muss, «ist nicht durchdacht und nicht umsetzbar», findet sie.

Die Sicherheitspolitikerin verweist auf das Verordnungsveto, «um den Bundesrat bei den Verordnungen besser kontrollieren zu können». Mit Verordnungen setzt der Bundesrat Gesetze um – nicht immer nach den Vorstellungen des Parlaments. Ein Veto dagegen wäre de facto ebenfalls eine Teilentmachtung des Bundesrats.

Konkret könnte das Verordnungsveto, das SVP-Franktionschef Thomas Aeschi forderte und die Staatspolitische Kommission des Nationalrats ebenfalls will, «auch bei der Kriegsmaterialverordnung angewendet werden», so Rickli.

Dieser SVP-Vorschlag wiederum stösst bei SP-Frau Galladé zumindest nicht auf völlige Ablehnung. «Es stimmt: Bei der Rüstung wird über die Verordnung das Volk ausgehebelt. Aber es ist auch nicht umsetzbar, jede bundesrätliche Verordnung ins Parlament zu bringen.» Galladé gibt zu bedenken, dass dieser Weg die Gewaltenteilung aufweichen würde.

Die Rüstungsindustrie will ihn auch in Ländern, in denen Bürgerkrieg herrscht, exportieren: Piranha-Radschützenpanzer.
Foto: THOMAS LUETHI / HEG

Dennoch: Galladé unterstützt nicht nur Landolt, sie liebäugelt trotz Bauchschmerzen wegen der Gewaltenteilung auch mit dem SVP-Weg. Hier schliesst sich also der Kreis innerhalb der Frauen.

CVP-Glanzmann schert aus

Aussen vor bleibt Ida Glanzmann (59, CVP): «Landolts Vorstoss würde der Rüstungsindustrie im Parlament noch mehr Macht verleihen, ihre Lobbyarbeit würde zunehmen», meint die Vizepräsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Bemerkenswert: Glanzmann ist Mitglied des Arbeitskreises Sicherheit und Wehrtechnik, einer Waffenlobby-Organisation.

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