Die neue spanische Botschafterin Aurora Díaz-Rato über die Zukunft von Carles Puigdemont
«Die Katalanen werden nicht zweimal den gleichen Fehler machen»

Aurora Díaz-Rato (60) ist seit einem halben Jahr spanische Botschafterin in der Schweiz. Gegenüber BLICK nimmt sie Stellung zur Katalonien-Krise.
Publiziert: 11.12.2017 um 16:17 Uhr
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Aktualisiert: 06.03.2019 um 09:20 Uhr
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Neue Botschafterin Spaniens in der Schweiz: Aurora Díaz-Rato.
Foto: Thomas Meier
Interview: Guido Felder

Frau Díaz-Rato, warum weigert sich Spanien, mit Katalonien über eine Unabhängigkeit zu diskutieren?
Aurora Díaz-Rato: Diese Frage finde ich sehr interessant. Katalonien ist ein Teil Spaniens, so ist es schwierig zu sagen, dass Spanien nicht mit Katalonien sprechen wolle. Es finden regelmässig Diskussionen zwischen der nationalen Regierung in Madrid und den regionalen Behörden statt. Es gibt für solche Gespräche sogar eine feste Einrichtung. Leider zog sich die katalanische Regierung in den vergangenen Jahren aus dieser Institution zurück.

Nach der Separationsabstimmung vom 1. Oktober gab es 900 Verletzte, weil die spanische Polizei äusserst hart gegen die feiernden Katalanen vorging. Hat Ministerpräsident Mariano Rajoy überreagiert?
Es war nicht Rajoy oder Madrid, sondern es waren die öffentlichen Sicherheitskräfte, die von den katalanischen Justizbehörden um Hilfe gerufen worden waren. Die Situation drohte nach einer Abstimmung, die das Gericht als illegal bewertet hatte, aus dem Ruder zu laufen. Die Polizei wollte lediglich die öffentliche Ordnung wiederherstellen.

Wäre es nicht auch auf eine andere Weise gegangen?
Die Polizei hat verhältnismässig gehandelt. Es gab viele Fake News über den Einsatz. So stammten etwa viele Bilder von früheren Polizeieinsätzen. Nur gerade drei Personen wurden so verletzt, dass sie sich im Spital behandeln lassen mussten.

Was führte zur Eskalation? Ist Puigdemont daran schuld?
Puigdemont allein verfügt nicht über genügend Macht, auch wenn er es vielleicht meint. Urheberin ist die Regionalregierung, die in Katalonien bis vor kurzem an der Macht war und nun abgesetzt wurde.

Soll Puigdemont ins Gefängnis?
Das Gericht wird entscheiden, welche Schuld ihn trifft und welche Strafe er erhalten soll.

Was soll in Ihren Augen mit ihm geschehen?
Er soll konsequent sein und Verantwortung übernehmen. Es ist schwierig zu verstehen, warum er mit einem Teil der abgesetzten Regierung nach Belgien gereist ist und nun plötzlich nicht mehr antwortet.

Nach dem Referendum in Katalonien hätte man erwarten können, dass das Resultat die Separatisten in anderen Regionen beflügelt. Erstaunlicherweise blieb es ruhig – sogar im Baskenland, das vor Jahren noch mit Terroranschlägen für die Unabhängigkeit kämpfte. Warum?
Wenn man das Resultat und den Schaden dieser verantwortungslosen Politik in Katalonien anschaut, so bin ich sicher, dass das in Spanien niemand will. Im Baskenland gibt es das Wahlbündnis Bildu, von dem Vertreter früher die separatistische Terrororganisation ETA unterstützten. Bildu hat nun Einsitz im baskischen Regionalparlament und respektiert das Gesetz.

Zwingen die starken Separationsgelüste der Katalanen Madrid zum Umdenken? Braucht es eine Verfassungsänderung, die den Katalanen und anderen Regionen mehr Autonomie gibt?
Das Parlament hat eine Kommission gebildet, die sich überlegt, ob es allenfalls Anpassungen braucht.

Könnte die Schweiz mit ihrem Föderalismus ein Vorbild für Spanien sein?
Die Schweiz diente als Vorbild, als sich Spanien nach der Diktatur Francos neu formierte. Heute verfügen die spanischen Regionen Katalonien, Baskenland und Navarra über mehr Autonomie als ein Schweizer Kanton. Sie haben zum Beispiel eigene Steuersysteme, eigene Polizeiorganisationen und eigene Justizapparate.

Es gab Schweizer Politiker, die sich für eine Vermittlung zwischen der spanischen und der katalanischen Regierung einsetzten. Was sagen Sie dazu?
Es war viel guter Wille vorhanden zu helfen. Es zeigt mir, wie beliebt Spanien bei den Schweizern ist.

Einige Schweizer wollten Puigdemont sogar Asyl gewähren ...
Es geschahen sonderbare Dinge. Allerdings wurde einiges von den Medien initiiert.

Am 21. Dezember finden in Katalonien Neuwahlen statt. Glauben Sie, dass Puigdemont wieder antritt?
Ich bin mir nicht sicher, ob Puigdemont von Belgien aus einen Wahlkampf in Katalonien führen kann.

Was passiert, wenn Puigdemont erneut gewählt wird und die Separatisten siegen? Wird die Zentralregierung in Madrid das Resultat akzeptieren?
Es ist nicht die Frage, wer regiert, sondern ob der Gewählte das Gesetz respektiert. Zudem glaube ich nicht, dass das rational denkende Volk der Katalanen zweimal den gleichen Fehler macht.

Puigdemont will Neuwahl in Katalonien als Votum über Rajoy sehen 

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