Links – oder noch linker?
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SP-Kandidaten im BLICK-Check:Links – oder noch linker?

Die Kandidaten für die SP-Spitze im BLICK-Check
Links – oder noch linker?

Die Bewerbungsfrist für die Nachfolge von SP-Boss Christian Levrat endet am Mittwoch. Mit Meyer/Wermuth und Seiler Graf/Reynard kandidieren zwei unterschiedliche Duos – ihre Programme im grossen BLICK-Check.
Publiziert: 18.02.2020 um 23:32 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2020 um 13:21 Uhr
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Treten gegeneinander an: Mathias Reynard und Priska Seiler Graf (links) und Mattea Meyer und Cédric Wermuth.
Foto: Thomas Meier
Daniel Ballmer und Ladina Triaca

Links – oder noch linker? Welchen Kurs soll die SP fahren, nachdem sie bei den Wahlen im Herbst eine historische Schlappe kassiert hat? Heute Mittwoch läuft die Bewerbungsfrist für die Nachfolge von SP-Boss Christian Levrat (49) ab. Damit ist klar: Es kandidieren zwei Duos, die inhaltlich einige Unterschiede aufweisen. Die Partei steht vor einem Richtungsentscheid.

Bereits früh zu einer Kandidatur entschieden hat sich das Duo Mattea Meyer (32) und Cédric Wermuth (33). Die beiden kennen sich schon aus Juso-Zeiten und sind ein eingespieltes Team. Wermuth und Meyer stehen für eine pointiert linke und kompromisslose Politik. Ihr Ziel ist es, die SP in eine Bewegung zu verwandeln. Sie sind politische Zwillinge.

Konkurrenz erhalten die beiden durch die Zürcher SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf (51) und den Unterwalliser Nationalrat Mathias Reynard (32). Das zweite Tandem betont gern die Breite seines Tickets: junger Mann und ältere Frau, linker Gewerkschafter und pragmatische Exekutivpolitikerin, Romand und Deutschschweizerin. Im Gegensatz zu Meyer/Wermuth kennen sich Reynard und Seiler Graf nicht besonders gut – und auch inhaltlich politisieren sie nicht immer auf derselben Linie.

Wer mehr überzeugt, zeigt sich am 5. April in Basel. Dann findet die Wahl der neuen SP-Spitze statt. Doch wie genau sieht die Wahl aus, die die Genossen dann haben? Anhand der Programme der konkurrierenden Paare macht BLICK den grossen Kandidaten-Check.

Migration

Seiler Graf/Reynard: Die SP könne nicht so tun, als gebe es bei der Zuwanderung keine Probleme, kritisierte Seiler Graf kurz nach der Bekanntgabe ihrer Kandidatur den aktuellen Kurs. Die Partei wirke oft «abgehoben», weil sie das Thema tabuisiere. Umso mehr erstaunt es, dass Seiler Graf/Reynard in ihrem «Aktionsplan» kein Wort zum Umgang mit Flüchtlingen oder Migranten verlieren.

Meyer/Wermuth: Ganz anders das Team Wermuth/Meyer. Es fordert ein «ius soli»: Wer hier geboren ist, soll automatisch Schweizer werden. Die beiden engagieren sich stark für Flüchtlinge und kritisieren die «Festung Europa»: «Wir wollen eine SP, die laut und deutlich gegen das Sterben im Mittelmeer protestiert», schreiben die beiden in ihrem Programm mit dem Namen «Linker Aufbruch».

Europa

Meyer/Wermuth: Es ist das Europajahr – und dennoch sprechen beide Teams kaum über die EU. Wermuth/Meyer fordern zwar ein «solidarischeres und sozialeres» Europa, über das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU verlieren sie allerdings kein Wort. Auch ein EU-Beitritt ist zu wenig sexy, als dass er es in ihr Programm geschafft hätte.

Seiler Graf/Reynard: Eine regelrechte Zerreissprobe könnte das Rahmenabkommen für das Duo Seiler Graf/Reynard werden. Sie ist proeuropäisch und kompromissbereit, er kommt aus dem Gewerkschaftsflügel und will auf keinen Fall am Lohnschutz rütteln. «Das ist ein Dossier, wo wir Unterschiede haben», gestand Seiler Graf kürzlich im «Tages-Anzeiger».

Klima

Seiler Graf/Reynard: Das Duo versucht gar nicht erst, das Rad neu zu erfinden. Die Klimapolitik der SP habe schon klare Ziele. Nötig seien «massive Investitionen in erneuerbare Energien und Gebäudesanierungen, damit die Energiewende auch wirklich gelingt». Das ist kein dezidiert linker Kurs, könnte auch Programm einer Mitte-Partei sein.

Meyer/Wermuth: Die beiden gehen deutlich weiter. Mit «kleinen Fortschritten» wollen sie sich nicht zufriedengeben. Das Duo propagiert eine dunkelrote Klimapolitik und fordert eine «Abgabe auf Milliardenvermögen», um für den SP-Klimaplan mehr finanzielle Mittel zu haben. Gerade dem Finanzplatz soll es an den Kragen gehen.

Arbeit und Löhne

Seiler Graf/Reynard: Die SP soll wieder stärker als Partei der Arbeiterschicht wahrgenommen werden. Das ist insbesondere Gewerkschafter Reynard wichtig. «Die Erhöhung der Tiefstlöhne und jene der AHV-Renten müssen klar unsere Prioritäten sein», schreiben sie in ihrem Aktionsplan. Dazu gehört auch die Forderung nach einer 13. AHV-Rente.

Meyer/Wermuth: Bei diesem Thema zielen die beiden konkurrenzierenden Duos in eine ähnliche Richtung. Alle wollen sie Mindestlöhne, Lohn- und Arbeitsschutz. Meyer/Wermuth aber fordern nicht nur ein Recht auf Arbeit, sondern ein Recht auf «gute Arbeit». Die Digitalisierung soll das Leben der Menschen verbessern – und die Arbeitszeit reduzieren.

Steuern

Seiler Graf/Reynard: Steuern stehen nicht zuoberst auf der Prioritätenliste des Duos. Seiler Graf verkündete kürzlich, die SP habe sich in der Vergangenheit bereits genügend mit steuerpolitischen Vorlagen herumgeschlagen. Es erstaunt deshalb kaum, dass sich im Programm der beiden keine konkreten Pläne zur Steuerpolitik finden.

Meyer/Wermuth: Anders Wermuth und Meyer. Sie tragen die Steuer- und Umverteilungsfragen quasi in der DNA. «Wir engagieren uns zuvorderst für einen schweizweiten Mindeststeuersatz für Firmen und gegen Steuerhinterziehung», schreiben sie. Kompromisse würden unter ihrer Führung seltener. Die beiden waren gegen den AHV-Steuerdeal, den Parteichef Levrat im Ständerat ausheckte.

Renten

Meyer/Wermuth: «Mehr zum Leben bedeutet höhere Löhne und Renten», schreibt das Duo in seinem Programm. Zusammen mit den Gewerkschaften kämpft es daher für eine 13. AHV-Rente. Gleichzeitig wehren sich beide gegen eine Erhöhung der Rentenalter. Zur Sicherung der AHV sollen stattdessen mehr Steuergelder oder die Gewinne der Nationalbank verwendet werden.

Seiler Graf/Reynard: Die Rentenfrage könnte zur Knacknuss für das Paar werden. Zwar sind beide für höhere Renten. Doch: Während Gewerkschafter Reynard klar gegen eine Erhöhung des Frauenrentenalters ist, ist das für Seiler Graf kein Tabu: «Sofern die Frauen etwas zurückbekommen, ist eine Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre diskutierbar», sagte sie zur «NZZ am Sonntag».

Das spricht für Realos

Cédric Wermuth und Mattea Meyer wären vielleicht gut für die SP – sicher aber nicht für die Schweiz. In kaum einem anderen europäischen Land liegen die grössten Parteien so weit auseinander wie bei uns. Ganz rechts die Abschotter von der SVP, links die staatshörigen SPler.

Übernehmen die beiden Ex-Jusos das Ruder, steuert die SP noch weiter nach links. Das würde zwar die Basis mobilisieren, für die Kompromissfindung im Bundesaus wäre es fatal.

Wollen die Genossen die Politik mitgestalten und bei grossen Themen wie Altersvorsorge und Klimawandel ernsthaft mitreden, brauchen sie pragmatische Köpfe an der Spitze.

Wie Priska Seiler Graf und Mathias Reynard. Seiler Graf hat als Exekutivpolitikerin bewiesen, dass sie mit Politikern aller Couleur zusammenarbeiten kann. Reynard ist überzeugter Gewerkschafter, fällt aber immer wieder durch konservative Positionen auf.

Beide sind geerdet und kennen ein Leben ausserhalb der linken Blase. Mit ihnen gäbe es keine Revolution – dafür mehr Realpolitik mit rotem Anstrich.

Ladina Triaca, Bundeshaus-Redaktorin.

Cédric Wermuth und Mattea Meyer wären vielleicht gut für die SP – sicher aber nicht für die Schweiz. In kaum einem anderen europäischen Land liegen die grössten Parteien so weit auseinander wie bei uns. Ganz rechts die Abschotter von der SVP, links die staatshörigen SPler.

Übernehmen die beiden Ex-Jusos das Ruder, steuert die SP noch weiter nach links. Das würde zwar die Basis mobilisieren, für die Kompromissfindung im Bundesaus wäre es fatal.

Wollen die Genossen die Politik mitgestalten und bei grossen Themen wie Altersvorsorge und Klimawandel ernsthaft mitreden, brauchen sie pragmatische Köpfe an der Spitze.

Wie Priska Seiler Graf und Mathias Reynard. Seiler Graf hat als Exekutivpolitikerin bewiesen, dass sie mit Politikern aller Couleur zusammenarbeiten kann. Reynard ist überzeugter Gewerkschafter, fällt aber immer wieder durch konservative Positionen auf.

Beide sind geerdet und kennen ein Leben ausserhalb der linken Blase. Mit ihnen gäbe es keine Revolution – dafür mehr Realpolitik mit rotem Anstrich.

Das spricht für Radikale

So kann es mit der SP nicht weitergehen! Das hat die Schlappe bei den Wahlen im Oktober schonungslos gezeigt. Die Partei muss sich neu orientieren, will sie nicht das gleiche Schicksal erleiden wie andere Sozialdemokraten in Europa.

Die SP braucht einen linken Aufbruch. Den frischen Wind, um die leicht angestaubte SP aufzurütteln. Und das Duo Mattea Meyer und Cédric Wermuth steht exemplarisch dafür. Schon an der Spitze der Juso haben sie es verstanden, die Genossen mitzureissen und auf die Strasse zu bringen. Mit spektakulären Aktionen schafften sie mediale Aufmerksamkeit – und verdoppelten die Mitgliederzahlen.

Natürlich: Mit seiner pointiert linken Politik polarisiert das Ticket. Doch das mobilisiert eben auch. Der pragmatische Kurs des abtretenden SP-Chefs Christian Levrat hat dagegen offensichtlich ausgedient. Die Kompromiss-Kultur lockt die Wähler längst nicht mehr hinter dem Ofen hervor. Es braucht einen Neuanfang.

Daniel Ballmer, Bundeshaus-Redaktor.

So kann es mit der SP nicht weitergehen! Das hat die Schlappe bei den Wahlen im Oktober schonungslos gezeigt. Die Partei muss sich neu orientieren, will sie nicht das gleiche Schicksal erleiden wie andere Sozialdemokraten in Europa.

Die SP braucht einen linken Aufbruch. Den frischen Wind, um die leicht angestaubte SP aufzurütteln. Und das Duo Mattea Meyer und Cédric Wermuth steht exemplarisch dafür. Schon an der Spitze der Juso haben sie es verstanden, die Genossen mitzureissen und auf die Strasse zu bringen. Mit spektakulären Aktionen schafften sie mediale Aufmerksamkeit – und verdoppelten die Mitgliederzahlen.

Natürlich: Mit seiner pointiert linken Politik polarisiert das Ticket. Doch das mobilisiert eben auch. Der pragmatische Kurs des abtretenden SP-Chefs Christian Levrat hat dagegen offensichtlich ausgedient. Die Kompromiss-Kultur lockt die Wähler längst nicht mehr hinter dem Ofen hervor. Es braucht einen Neuanfang.

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