Nach zehn Wochen Fernunterricht kehrt heute auch an Gymnasien und Berufsschulen das Leben zurück. Von Normalbetrieb kann an einem Grossteil der weiterführenden Schulen aber nicht die Rede sein. Vielerorts lernen die Schüler in Halbklassen, in einigen Kantonen bleibt der Fernunterricht sogar bestehen. Grund dafür sind die Vorgaben des Bundes: Im Gegensatz zu den obligatorischen Schulen müssen an Mittel- und Berufsschulen auch die Schüler untereinander immer zwei Meter Distanz halten. In den meisten Schulzimmern ist das bei einer regulären Klassengrösse unmöglich.
Doch nun weicht der Bund die Abstandsregel auf. Heute Morgen hat er eine überarbeitete Version der Grundprinzipien für Schutzkonzepte für weiterführende Schulen veröffentlicht. An ihnen müssen sich die Schulen orientieren. Über die Aktualisierung hatte zuvor der «Tages-Anzeiger» berichtet.
Abstand nur noch «wenn möglich»
In der bisherigen Version stand, dass der Abstand von zwei Metern «in den Unterrichtsräumen und bei allen übrigen interpersonellen Kontakten konsequent eingehalten werden» müsse. «Je nach räumlichen Verhältnissen» sei der Präsenzunterricht unter diesen Rahmenbedingungen nur teilweise möglich.
Laut den neuen Vorgaben muss der Abstand nur noch «wenn immer möglich» eingehalten werden. Sollte das Einhalten des Abstands nicht möglich sein, sei es zulässig, «andere Schutzmassnahmen wie das Tragen von Hygienemasken oder das Anbringen und Nutzen von Trennwänden anzuwenden». Und sei auch das nicht möglich, müssten die Kontaktdaten der anwesenden Personen notiert werden. Der Satz zum Präsenzunterricht ist gestrichen.
Auch die Regeln für die obligatorischen Schulen werden gelockert, allerdings nur in Details. An der Abstandsregel zwischen Schülern und Lehrern rüttelt der Bund nicht.
Kritik im Parlament
Die Kantone hatten beim Bund Druck gemacht, die 2-Meter-Regel zu lockern. Auch vonseiten des Parlaments wurde Unmut laut. Dass Puffs wieder öffnen dürfen, Schüler aber wegen der Abstandsregel teilweise daheim bleiben müssen, sei «so etwas von widersinnig», kritisierte beispielsweise die Zuger Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt-Picard (52).
Mit der nun beschlossenen Lockerung ist die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) allerdings längst nicht zufrieden. Aus ihrer Sicht ändert sich in der Realität kaum etwas. Auch mit den neuen Grundprinzipien könne auf Stufe Mittel- und Berufsschulen «kein normaler Vollzeitunterricht stattfinden». Es wird sich allerdings weisen, ob das wirklich stimmt.
Die «geringfügigen Anpassungen» seien zudem erst «mit grosser zeitlicher Verzögerung» umgesetzt worden, kritisieren die Erziehungsdirektoren. Die Kantone prüfen jetzt, welche Anpassungen an den Schutzkonzepten vorgenommen werden können. Da in wenigen Wochen bereits die Sommerferien beginnen, werden sie mit erneuten Änderungen wohl aber zögerlich sein. Der Kanton Aargau beispielsweise teilt auf Anfrage mit, dass man bis zu den Ferien am nun geltenden Konzept – eine Mischung aus Präsenz- und Fernunterricht – festhalte.
Nicht ohne Risiko
Ein Blick über die Landesgrenzen hinweg zeigt, dass Lockerungen an den Schulen nicht ohne Risiken sind. In Israel war mit der Wiedereröffnung der Schulen ein markanter Anstieg der Infektionszahlen zu beobachten. Knapp 130 Schulen und Kindergärten mussten wieder geschlossen werden, weil sich Schüler und Lehrer angesteckt hatten. Einige Schulen verschärften daraufhin von sich aus wieder die Corona-Massnahmen.