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Deutsche Sozialdemokraten im Elend – Parteichefin Nahles gibt auf
Setzt sich jetzt der linke oder der rechte Flügel durch?

In welche Richtung steuern die deutschen Sozialdemokraten nach dem Rücktritt von Chefin Andrea Nahles? In der Schweiz haben bei der SP derzeit die linken Kräfte das Sagen.
Publiziert: 02.06.2019 um 22:52 Uhr
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Aktualisiert: 03.06.2019 um 09:28 Uhr
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Tritt zurück: SPD-Parteichefin Andrea Nahles.
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Nico Menzato

Der Kampf zwischen parteiinternen Flügeln ist manchmal ebenso heftig wie jener zwischen den Parteien. Bei der Schweizer SP hat derzeit klar die linke, gewerkschaftliche Seite die Oberhand. Auch deshalb gehört sie zu den linksten sozialdemokratischen Parteien in Europa.

Die Realos, die sich in der reformorientierten Plattform engagieren, haben reichlich wenig zu melden. Und es werden immer weniger: Nach Chantal Galladé (46) hat auch der Zürcher SP-Nationalrat Daniel Frei (40) die Partei verlassen und ist zur GLP übergetreten.

Nahles gibt alle Ämter ab

Ein ungleich heftiger Machtkampf tobt bei der deutschen Schwesterpartei von Christian Levrat (48) und Co., bei der SPD, die bei den Europawahlen vor einer Woche ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren hat. Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles (48) zog am Sonntag die Konsequenzen und gab alle ihre politischen Ämter ab. Ein Erdbeben für die SPD, schliesslich war Nahles erst seit gut einem Jahr die starke Frau in der Partei.

«Die Diskussion in der Fraktion und die vielen Rückmeldungen aus der Partei haben mir gezeigt, dass der zur Ausübung meiner Ämter notwendige Rückhalt nicht mehr da ist», erklärte sie. Mit dem Rücktritt wolle sie die Möglichkeit eröffnen, «dass in beiden Funktionen in geordneter Weise die Nachfolge geregelt werden kann». Sie hoffe, dass es den Sozialdemokraten gelinge, «Vertrauen und gegenseitigen Respekt wieder zu stärken».

«SPD braucht eine Entgiftung»

Die verschiedenen Niederlagen an den Urnen werden auch damit begründet, dass viele Wähler nicht mehr verstehen, ob die SPD weiterhin zur grossen Koalition mit CDU/CSU steht. Oder ob sie hauptsächlich Opposition betreiben will. «Die SPD braucht eine Entgiftung», kommentierte denn auch der frühere Partei-Chef Sigmar Gabriel (59). «Solange die SPD sich nur mit sich selbst beschäftigt, solange es nur um das Durchsetzen oder Verhindern von innerparteilichen Machtpositionen geht, werden die Menschen sich weiter von uns abwenden.» 

Es steht also eine Richtungswahl an. Setzen sich jene Kreise durch, welche die Partei nach links führen und die Regierungskoalition vorzeitig beenden möchten? Oder sucht die Partei ihr Heil stärker in der Mitte? Für letztere Option wäre der heutige Vizekanzler Olaf Scholz (60) ein möglicher Parteichef. Die Option richtiger Linksdrang und Verjüngung würde etwa Juso-Chef Kevin Kühnert (29) verkörpern. Diese Variante ist jedoch unwahrscheinlich.

Als mögliche Überganschefin kommt Malu Dreyer (58) infrage, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Auch die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (45), dürfte Ambitionen haben. Wie auch der Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil (60).

Ein Problem Nahles war, dass sie sowohl den linken als auch den gemässigten Flügel verkörperte: Als ehemalige Linksaussen-Frau und Juso-Chefin wetterte sie gegen die damalige Politik von Kanzler Gerhard Schröder (75). Sie bewegte sich dann aber Richtung Mitte, wurde Arbeits- und Sozialministerin und war 2017 mitverantwortlich, dass die SPD sich erneut auf die grosse Koalition einliess. Auch daran ist die erste weibliche SPD-Chefin nun gescheitert.

SP-Guldimann: «Jetzt ist alles möglich»

«Wir stehen zur grossen Koalition», sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer (56). Für den ehemaligen Botschafter in Berlin und alt SP-Nationalrat Tim Guldimann (68) ist jetzt aber «alles möglich», wie er gegenüber BLICK sagt. Es gehe nun nicht nur darum, einen neuen Parteichef zu finden, sondern über «das Ende der Grossen Koalition» zu entscheiden. Für die serbelnde SPD wünscht er sich in der Koalitionsfrage: «Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.» Eine mögliche Konsequenz wären dann Neuwahlen. «Profitieren würden davon die Grünen. Selbst ein grüner Kanzler ist nach jüngsten Umfragen nicht mehr ganz ausgeschlossen», sagt Guldimann.

Die Sozialdemokratie ist in Europa mit Ausnahme weniger Länder massiv unter Druck. Muss daher auch die SP im Herbst Federn lassen? Umfragen deuten derzeit auf Stabilität oder leichte Verluste hin. Damit die SP nicht auch von der Negativspirale erfasst werde, müsse sie sich in ihren zwei Kernthemen konstruktiver behaupten: die Altersvorsorge und der Lohnschutz im europäischen Kontext, so Guldimann. Für die nachhaltige Rentenreform wünscht er sich «mehr Flexibilität ohne Sozialabbau». Und mit mehr Selbstbewusstsein könne das Rahmenabkommen getrost unterzeichnet werden.

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