Herr Schwaller, sind Sie ein fairer Abstimmungskämpfer?
Urs Schwaller: Davon bin ich überzeugt.
Dann haben Sie Postchefin Susanne Ruoff bereits gerügt?
Weshalb sollte ich?
Wegen des an zwei Millionen Haushalte verschickten Post-«Magazins» mit der Pro-Service-public-Initiative als Titelgeschichte. Acht Initiativgegner kommen zu Wort, aber kein einziger Befürworter. Das nennt man Abstimmungspropaganda.
Nein. Die Post wäre von einem Ja stark betroffen. Die Annahme der Initiative führt zu jahrelanger Rechtsunsicherheit und zu Leistungsabbau. Deshalb ist es nicht nur legitim, sondern notwendig, dass die Post klar Stellung bezieht.
Als Staatsbetrieb müsste man die Initianten wenigstens kurz zu Wort kommen lassen.
Wir sind keine Behörde. Es ist das Kundenmagazin der Post und nicht jenes der Initianten. Zudem verweisen wir auf die Homepage der Initianten. Das reicht.
Laut «Aargauer Zeitung» finanziert die Swisscom die Nein-Kampagne mit über einer Million Franken. Wie viel zahlt die Post?
Da sind gar keine Gelder geflossen.
Sie sind erst seit einem Monat im Amt und treten schon jetzt an die Öffentlichkeit. Nicht ohne Grund: Die Ja-Seite liegt in Umfragen vorn. Sind Sie nervös?
Nervös nicht, aber ich nehme die Initiative sehr ernst. Der hohe Ja-Anteil zeigt ein gewisses Unbehagen in der Bevölkerung. Das dürfen wir nicht unbeachtet lassen.
Nicht nur Unbehagen, sondern Unzufriedenheit. Woher kommt das?
Im internationalen Vergleich verfügt die Schweiz über eine sehr gute Grundversorgung. Aber natürlich spielt auch die persönliche Befindlichkeit ein Rolle. Bei täglich einer Million Kundenkontakten und 18 Millionen Briefen passieren auch Pannen. Ich habe sehr viele Briefe erhalten von Leuten, denen etwas nicht passt. Ein aktuelle Umfrage bei 24'000 Kunden zeigt aber: 80 Prozent sind zufrieden.
Wann haben Sie sich zuletzt über die Post geärgert?
Es kam schon vor, dass ich am Postschalter einen eingeschriebenen Brief abholen wollte und lange warten musste, weil ein Kunde vor mir beraten wurde. Eine Idee ist deshalb, dass es künftig spezielle «Beratungsschalter» gibt, um lange Wartezeiten zu verhindern. Im Grossen und Ganzen bin ich aber zufrieden.
Für Unmut sorgt doch, dass das Poststellennetz ausgedünnt wird und die Preise trotzdem steigen.
Also die Briefmarken wurden letztmals 2004 teurer...
...aber Ihr Vorgänger hat da Preiserhöhungen angetönt...
Das steht derzeit nicht auf der Traktandenliste. Für die nächsten Jahre ist das sicher kein Thema.
Trotzdem: Die Post machte letztes Jahr 645 Millionen Franken Gewinn. Davon flossen 200 Millionen in die Bundeskasse. Dieses Geld könnte man doch für Preissenkungen oder mehr Poststellen verwenden.
Ein Unternehmen muss Gewinn machen! Die Post hat 400 Millionen ihres Gewinns reinvestiert. Dass 200 Millionen dem Eigentümer Bund als Dividende zugute kommen, ist doch korrekt. Dieses Geld kommt allen zugute.
Ein anderes Thema sind die überrissenen Managerlöhne. Postchefin Ruoff kassiert jährlich eine Million Franken. Sie könnten hier endlich durchgreifen!
Ich bin gegen überrissene Löhne, aber der Lohn von Frau Ruoff ist korrekt und absolut marktgerecht. Immerhin führt sie das drittgrösste Unternehmen des Landes mit 60'000 Mitarbeitern. Hier wird von den Initianten eine Neiddiskussion auf Kosten des Service public geführt.
Mit dem Neid-Vorwurf machen sie es sich zu einfach. Frau Ruoff erhielt innerhalb eines Jahres 20 Prozent mehr Lohn. Davon können normale Angestellte nur träumen.
Diese Lohnentwicklung war mit gewissen Zielen verbunden. Ich trage das mit. Hätte sich ihr Lohn verdoppelt oder verdreifacht, wäre das eine ganz andere Frage.
Sie selber erhalten für Ihr 50-Prozent-Pensum rund 250'000 Franken. Damit verdienen Sie hochgerechnet ebenfalls mehr als ein Bundesrat.
Über meinen Lohn entscheidet der Bundesrat. Aber zum Vergleich: Als selbstständiger Anwalt verdiene ich gleich viel, wenn nicht noch mehr.
Sie haben es vorhin angetönt: Es gibt einen gewisses Unmut in der Bevölkerung. Falls die Initiative abgelehnt wird, werden Sie trotzdem Lehren daraus ziehen?
Zu Einzelprojekten kann ich noch nichts sagen. Wir wollen aber die beste Post bleiben und müssen unsere Angebote besser erklären. Ein Beispiel: Wenn wir eine Poststelle in eine Postagentur umwandeln, müssen wir die damit verbundenen Vorteile aufzeigen: Das können längere Öffnungszeiten sein. Oder dass dank der Agentur der Dorfladen überlebt.
Im Schnitt verschwinden jedes Jahr über 100 Poststellen. Führen Sie den Abbau in diesem Tempo weiter
Konkrete Zahlen kann ich nicht nennen, der Umbau wird aber weitergehen. Wir sind kein Nostalgie-Unternehmen. Wer eine Post wie zu Schaggi Streulis Zeiten will, führt das Unternehmen abwärts. Ich betone aber: Es ist ein Umbau, kein Abbau!
Das sieht das betroffene Personal wohl anders.
Der Umbau muss mitarbeitergerecht und sozialverträglich sein, das hat für mich einen sehr hohen Stellenwert. Für die Betroffenen muss es Ersatzlösungen geben.
Ein aktueller Streitpunkt ist die Auslagerung der Lastwagenflotte. Die Post ohne eigene Lastwagen-Chauffeure ist doch unvorstellbar. Gibt es da kein Zurück?
Nein, dieser Entscheid ist definitiv. Die Auslagerung wird bis 2017 abgeschlossen sein. Den rund 180 betroffenen Chauffeuren wird eine zumutbare Weiterbeschäftigung angeboten und es gibt auch einen Sozialplan. Wer älter als 55 ist und mindestens 20 Jahre bei der Post arbeitet, hat bis 62 eine Arbeitsplatzgarantie.
Als CVP-Ständerat haben Sie eine Motion mitunterzeichnet, wonach Postfinance künftig Kredite und Hypotheken vergeben soll. Wie stehen Sie nun als Post-Präsident dazu?
Ich würde diese Motion sofort wieder unterschreiben! Postfinance ist für die Post zentral: Zwei Drittel des Gewinns stammen aus Postfinance. Im aktuellen Marktumfeld bricht der Ertrag aber geradezu ein. Dieser Trend wird sich weiter akzentuieren. Wir brauchen deshalb zwingend neue Geschäftsfelder. Die Kredit- und Hypothekenvergabe durch Postfinance muss ein Thema werden, auch wenn die Diskussion wegen der anderen Banken schwierig wird. Nur so kann die Post ihre finanzielle Basis halten.
Dann werden Sie bei Ihren Ex-Kollegen im Ständerat für den Vorstoss lobbyieren?
Die Motion darf sicher nicht einfach beerdigt werden. Ich werde dafür kämpfen, dass sie in dieser oder allenfalls etwas abgeänderter Form durchkommt. Ich war als Ständerat von der Motion überzeugt – und bin als Post-Präsident doppelt überzeugt davon.