Im EU-Dossier geht es im Schneckentempo weiter. Viel Neues hat der Bundesrat in seiner gestrigen, stundenlangen Sitzung nicht entschieden.
Klar ist: Neo-Aussenminister Ignazio Cassis (56) hat den ominösen Reset-Knopf (noch) nicht gefunden. Er hat aber drei kleine Reset-Knöpfchen gedrückt – «mehr als ich erwartet habe», wie er sagte.
Balzaretti neuer EU-Superchef
Der organisatorische Reset ist die Umgestaltung des Teams. Roberto Balzaretti (53) ist ab sofort Europa-Staatssekretär und Chef der Verhandlungen Schweiz–EU. «Eine Person, ein Ziel, eine Mission», so Cassis. Der Tessiner Karriere-Diplomat hat fünf Kinder. Zu seinen Hobbys zählen alte Porsches und koreanischer Kampfsport.
Die bisherige Verhandlungsführerin Pascale Baeriswyl (49) wird teilentmachtet und ist im EDA neu «für den Rest des Planeten» zuständig. Kritik am neuen EU-Superchef, er sei ein EU-Turbo, konterte der FDP-Magistrat genervt: Balzaretti habe damals die Positionen seiner Chefin umgesetzt. Dies war SP-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (72).
Die Kommunikation sei der zweite Reset-Knopf, so der Tessiner weiter. Die müsse innen- und aussenpolitisch besser werden. Dies ist wohl ein frommer Wunsch, wie die letzten Wochen zeigten: Da waren gleich mehrere Bundesräte mit EU-politischen Vorschlägen vorgeprescht.
«Sind in die Sackgasse geraten»
Beim dritten Reset geht es um den Kern – um die Frage, welches Gericht für die Streitbeilegung im Rahmenabkommen zuständig sein soll. «Wir sind an gewissen Punkten in eine Sackgasse geraten», so Cassis. Man habe nun aber «neue Ideen, wie wir hier weiterkommen». Welche das sind, sagte der Tessiner wegen der laufenden Verhandlungen nicht. Das Verhandlungsmandat werde aber nicht angepasst.
Der Status quo – alles so zu lassen, wie es ist – ist für die Landesregierung keine Option. Im Gegenteil: Cassis möchte aufs Tempo drücken, weil 2019 wegen dem Brexit und den Neuwahlen der EU-Kommission nichts mehr passieren wird.
«Wenn es klappt, dann klappt es. Wenn nicht, klappt es nicht», sagt er. Doch zuerst müsse sich der Bundesrat einig sein, welche neuen Marktzugangs-Abkommen er anstrebe. Nach der bundesrätlichen EU-Klausur in drei Wochen sollen Antworten auf dem Tisch liegen.
Rüffel an die Adresse der Kantone
Derweil schwelt der Konflikt zwischen der Schweiz und der EU um die Personenfreizügigkeit weiter: Laut einem Bericht der SRF-Sendung «Rundschau» von gestern Abend hat die EU alle Kantone überprüft und eine Art Sündenregister erstellt. Die EU argumentiert, ein Kanton dürfe von einem EU-Bürger, der hierzulande eine Stelle antreten will, nur zwei Unterlagen verlangen: einen gültigen Ausweis und eine Arbeitsbestätigung.
Doch das Register zeigt: Gewisse Kantone fordern auch Miet- oder Arbeitsverträge ein. Nach einer Intervention der EU-Kommission hat das Staatssekretariat für Migration die Kantone ermahnt: Sie müssen nun ihre Praxis auf den Wunsch der EU ausrichten.