Der Nachrichtendienst sammelt erneut fleissig Daten
Der Fichenberg wächst wieder

Der Skandal erschütterte die ganze Schweiz: Ende 1989 wurde bekannt, dass unser Geheimdienst 900'000 Personen bespitzelte und Fichen anlegte. 2010 kommt heraus, dass die Schlapphüte erneut 200'000 Fichen sammelten. Der NDB gelobte Besserung – und hat schon wieder 100'000 Leute im Visier.
Publiziert: 04.02.2018 um 22:32 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 16:39 Uhr
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Gegen den Fichenstaat demonstrierten im März 1990 auf dem Berner Bundesplatz mehrere Tausend Leute.
Foto: STR
Ruedi Studer

Der Fichenberg des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) ist deutlich angestiegen. In der Datenbank IASA NDB, in der etwa Terroristen und Terrorverdächtige, Spione oder Atombombenbastler registriert sind, waren Anfang Oktober 2017 «rund 150'000 Personen und Drittpersonen» verzeichnet. Der Anteil der Drittpersonen lag dabei bei «knapp 1000 Erfassungen». Die separate Gewaltextremisten-Datei IASA-GEX NDB zählt «knapp 3000 Personen».

Zunahme um 60 Prozent innert drei Jahren

Das entspricht einer Zunahme um 60 Prozent innerhalb von drei Jahren, wie der aktuelle Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) der eidgenössischen Räte vermuten lässt. Die letzten Zahlen veröffentlichte die GPDel nämlich für das Jahr 2014.

Damals waren zwei Datenbanken massgebend, die mittlerweile in der neuen IASA zusammengeführt wurden: das Informationssystem Innere Sicherheit, kurz ISIS, das damals «rund 31'000 Personen und 1500 Drittpersonen» zählte, und das Informationssystem Äussere Sicherheit (ISAS) mit «rund 60'000 Personen». Verzeichnet waren damals also unter dem Strich rund 93'000 Personen.

Haben die Schlapphüte nichts gelernt?

2010 hatte der NDB für einen neuen Fichenskandal gesorgt, weil der Nachrichtendienst während Jahren gesetzeswidrig Daten nicht überprüft und keine gelöscht hatte. Rund 200'000 Fichen hatte er angesammelt. Jetzt zeigt sich: Die Schlapphüte vergrössern ihren Datenschatz wieder. Haben die Datensammler nichts gelernt?

GPDel-Präsident und SP-Ständerat Claude Janiak (69, BL) wiegelt ab: «Zahlenmässig ist das Datenwachstum nicht vergleichbar mit dem, was die GPDel mit ihrer ISIS-Inspektion im Jahr 2010 aufgedeckt hatte», sagt er zu BLICK.

Die Zunahme gehe vor allem auf den früheren ISAS-Auslandbereich zurück, «dessen Bestand zwischen 2014 und September 2017 stark angewachsen ist». Im ISIS-Bereich hingegen «dürften es rund 25'000 Personen oder Drittpersonen gewesen sein».

NDB bereinigte schon wieder

Zudem sollen die Datensätze inzwischen wieder überarbeitet worden sein. Jedenfalls legte der NDB den Kontrolleuren laut Janiak Mitte Januar einen Bericht vor, nach dem «die effektive Zahl der Personen in IASA NDB nun bei rund 100'000» liegen soll. Auf die tiefere Zahl komme der Geheimdienst demnach, weil «die Aliasnamen von Personen nicht mehr mitgezählt werden». 

Das bestätigt nun auch der NDB auf Anfrage. «Zwar gibt es durchaus eine erhöhte Menge Datenerfassungen aufgrund der erhöhten terroristischen Bedrohungslage, aber eben auch eine intensive Datenbewirtschaftung mit regelmässigen Datenlöschungen», erklärt NDB-Sprecherin Isabelle Graber. «Entsprechend gab es 2014 bis 2017 insgesamt nur eine Zunahme von rund zehn Prozent.»

Die in den GPDel-Berichten ausgewiesenen Zahlen von 2014 und 2017 dürften nicht direkt miteinander verglichen werden, so Graber. Bei jenen von 2014 handle es sich um einen bereinigten Datenbestand ohne Pseudonyme. Bei jenen vom Oktober 2017 seien die Aliasnamen noch nicht ausgesondert.

Die Politik hat noch ein paar Fragen

Die GPDel wird den jüngsten Bericht trotzdem genau unter die Lupe nehmen und an ihrer nächsten Sitzung behandeln. Dabei gelte es, «offene beziehungsweise ungeklärte Fragen» zu besprechen, wie Janiak betont.

Der SP-Mann macht klar: «Für die Kontrolle der Daten des Nachrichtendienstes ist es zwingend, dass der NDB unter dem neuen Nachrichtendienstgesetz seine Datenbestände nach einem eindeutigen und jeweils gleichen Verfahren berechnen kann.» Die GPDel behalte die Umsetzung des Gesetzes im Auge.

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