Demo-Plakat löst Krise aus
Türkei demütigt Schweizer Botschafter

Der türkische Präsident macht aus einem Demo-Plakat in Bern einen diplomatischen Krisenfall und zitiert deshalb gleich zweimal Schweizer Diplomaten zu sich. Das sei eine Demütigung und «unnötige Überreaktion», kritisieren Aussenpolitiker.
Publiziert: 26.03.2017 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:09 Uhr
Türkei fordert Untersuchung
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Wegen Demonstration mit Anti-Erdogan-Plakat:Türkei fordert Untersuchung
Cinzia Venafro

Ein Plakat wird zum diplomatischen Krisenfall – wegen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Am Wochenende demonstrierten seine Gegner in den Gassen von Bern gegen das Verfassungsreferendum in der Türkei. «Kill Erdogan – with his weapon» (Tötet Erdogan – mit seinen eigenen Waffen), prangte auf einem Transparent der Revolutionären Jugendgruppe Bern. Daneben das Konterfei des umstrittenen Machthabers.

Blitzschnell fand ein Bild des Transparents seinen Weg nach Ankara. Noch am selben Tag telefonierte der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu mit Amtskollege Didier Burkhalter. Prompt zitierte die offizielle Türkei den Schweizer Botschafter ein. Weil dieser am Samstag jedoch nicht in der Stadt war, musste seine Stellvertreterin Nathalie Marti antraben. Zu wenig für Erdogan: Gestern berief er den Botschafter selbst, Walter Haffner, abermals ein. Und: Die Schweizer Behörden sollten eine Untersuchung einleiten und die Urheber des Transparents beziehungsweise die Organisatoren zur Rechenschaft ziehen, wurde von Ankara verlangt.

SVP-Büchel kritisiert Burkhalter

«Diese Reaktion der Türkei ist nicht nur eine Demütigung für den Botschafter, es ist ein Witz!», enerviert sich der Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, Roland Büchel (SVP/SG). Es sei «gerade zu lächerlich», dass sich ein Land wie die Türkei um «solche Banalitäten» kümmere, so Büchel. «Aber Hunde, die am lautesten bellen, sind halt die grössten Mimosen.» 

Doch auch das Verhalten des FDP-Bundesrats Didier Burkhalter ist Büchel nicht staatsmännisch genug: Er hoffe nicht, dass der Aussenminister «das erneute Einberufen des Botschafters durch sein Verhalten provoziert» habe, sagt Büchel. «Den Türken ist klarzumachen, dass bereits ein einmaliges Einberufen völlig übertrieben war. Das Verhalten der offiziellen Schweiz in den letzten Tagen hat offenbar impliziert, dass man mit uns alles machen kann.»

Für Burkhalters Parteikollege Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) ist Erdogans Gebaren schlicht eine «unnötige Überreaktion». Eine diplomatische Note platziere man nur einmal. «Zweimal antraben lassen ist zu viel.» Doch er räumt ein: «Würde man im Ausland an einer Demonstration ein Transparent mit der Aufschrift ‹Kill Leuthard› zeigen, würden wir auch reagieren.»

Kein Freipass für Gewaltaufrufe

«Vollkommen daneben» findet auch Aussenpolitiker Eric Nussbaumer (SP/BL) das Plakat der Erdogan-Gegner. «Unsere Meinungsäusserungsfreiheit ist kein Freipass für Gewaltaufrufe», sagt der Sozialdemokrat. Deshalb befürworte er die Strafanzeige, welche die Stadt Bern eingereicht hat. Zudem eröffnet die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland ein Verfahren wegen öffentlichen Aufrufs zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit. 

Nussbaumer beschwichtigt, man solle das erneute Einberufen von Botschafter Haffner nicht überbewerten. «Aber nicht die Schweiz ist schuld an der dermassen aufgeheizten Stimmung», sagt er, «sondern Erdogan und seine Politik ganz alleine!» 

Das Aussendepartement bestätigte gestern Abend, dass die Schweizer Botschaft zweimal einbestellt wurde. Man habe gesagt, dass der Vorfall – das türkische Aussenministerium spricht von «offensichtlichem Verbrechen» – von den Behörden des Kantons Bern untersucht werde. Die türkischen Behörden würden über das Ergebnis informiert.

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