Debatte um das Rahmenabkommen
Die SP sucht den Ausweg aus der Europafalle

Der Rahmenvertrag sorgt weiterhin für rote Köpfe. Befürworter des Abkommens gehen eigene Wege und kritisieren die Passivität der Parteispitze.
Publiziert: 02.03.2019 um 19:37 Uhr
1/6
Präsident Christian Levrat am Samstag an der SP-Delegiertenversammlung in Goldau SZ. In der Partei ist man nicht eins, was das EU-Rahmenabkommen angeht.
Foto: Keystone
Simon Marti
Simon MartiRedaktor SonntagsBlick

Es kommt Bewegung in die Debatte ums Rahmenabkommen mit der EU. Letzte Woche sagte der Freisinn «Ja aus Vernunft» – dieser Entscheid setzt die traditionell europa-freundliche SP gehörig unter Druck. Die Genossen müssen die innerparteilichen Fronten jetzt rasch klären. Doch die Sozialdemokraten lavieren nach wie vor konfus zwischen den gewerkschaftlichen Gegnern des Vertrags und dessen Unterstützern hin und her.

Das zeigte sich diese Woche exemplarisch: Erst erklärte die ehemalige SP-Nationalrätin Chantal Galladé (46, ZH) im ­«Tages-Anzeiger» ihren Übertritt zur GLP und begründete diesen Wechsel mit der Europapolitik (siehe Interview unten). Am Freitagabend dann versammelten sich aus diesem Anlass prominente Genossen in der SRF-«Arena». Eine Sendung, die eher Züge ­einer Therapiestunde als einer Diskussion trug.

Ein Nein wurde abgelehnt

Die Befürworter innerhalb der Partei wittern jetzt ihre Chance: «Ich bin zuversichtlich, dass die SP sich konstruktiv einbringt und am Ende ihre Position vom Parteitag 2016 beibehält, wonach die Schweiz dieses institutionelle Rahmenabkommen braucht», sagt Nationalrat Eric Nussbaumer (58, BL). Er kritisiert die SP-Spitze um Präsident Christian Levrat (48, FR). «Gefragt wäre die Parteiführung, sodass wir miteinander zu einer konstruktiven Antwort kommen. Diese Passivität in der Kommunikation wird zunehmend problematisch», warnt der Baselbieter.

Während CVP und FDP in den Fraktionen darüber stritten und ihren Entscheid der Öffentlichkeit mitteilten, hatte die SP den Vertrag in einem dürren Communiqué im Dezember als politisch chancenlos abgetan. Ende Januar traf sich dann in Luzern die SP-Spitze mit den sozialdemokratischen Mitgliedern der Aussenpolitischen sowie der Wirtschaftskommission. Rund 50 Minuten soll die Diskussion über das wichtigste politische Geschäft der ­Legislatur gedauert haben. Man verständigte sich auf eine Sprachregelung, wonach das Rahmenabkommen in dieser Form nicht unterschrieben werden dürfe und Nachverhandlungen nötig seien.

Ein kategorisches Nein stand ebenfalls zur Debatte, wurde aber abgelehnt. Weder kommunizierte die Partei diese Abmachung, noch wurde festgelegt, wie die SP zu einem abschliessenden Urteil kommen sollte.

Aber wie jede Fraktion im Bundeshaus, sind auch die Genossen aufgefordert, am 11. März gegenüber dem Bundesrat Stellung zu beziehen. «Ich weiss ehrlich gesagt nicht, was genau die SP in Bezug auf den vorläufigen Vertragstext dem Bundesrat antworten wird», sagt Eric Nussbaumer. «Ich hoffe, wir können das rasch klären.»

Levrat signalisiert 
Entgegenkommen

Am Samstag signalisierte Parteichef Levrat an der ­SP-­Delegiertenversammlung in Goldau SZ zumindest vorsichtig ein Entgegenkommen. «Wir wollen ein Rahmenabkommen», sagte Levrat, und zwar eines, das den Lohnschutz nicht gefährde. Was der Bundesrat vorgelegt habe, sei kein «fertig ausgehandelter Vertrag», so der Freiburger Ständerat.

Den Befürwortern des Rahmenvertrags reicht das nicht. Sie lancieren ihre eigene Beratung und fordern Sympathisanten auf, online Vorschläge einzubringen. In ihrem Aufruf heisst es: «Die meisten Schweizer Forderungen konnten bei den Verhandlungen zum Abkommen durch den Bundesrat gewahrt bleiben.» Der ausgehandelte institutionelle Rahmen sei für die Beziehungen der beiden Partner insgesamt positiv und für die Schweiz massgeschneidert.

«In den letzten Monaten ist etwas Verwirrung um die Position der SP zum Rahmenabkommen entstanden», sagt Nationalrat ­Fabian Molina (28, ZH), einer der Köpfe hinter dem Aufruf. «Damit wollen wir einerseits erklären, warum es nicht ganz einfach war, und andererseits gemeinsam nach Lösungen suchen.» Auch Molina betont, er wolle ein Abkommen «mit einem fairen Lohnschutz».

Der SP-Fraktionsvorstand will das Rahmenprogramm morgen Montag diskutieren. Wohl im Wissen darum, dass die Partei in dieser zentralen Frage keine gute Figur abgibt. Oder wie es Aussenpolitiker Nussbaumer formuliert: «Verwirrte Parteien hinterlassen verwirrte Wähler.»

«Ich erfuhr auch von SP-Wählern Zuspruch»

Frau Galladé, Sie dürften als Sozialdemokratin kaum je so viel Aufmerksamkeit erhalten haben wie durch Ihren Wechsel zur GLP. War es aus Ihrer Sicht eine gelungene Woche?
Chantal Galladé: Ich wollte wechseln, die Europapolitik der SP war dabei ein Aspekt, der das Fass zum Überlaufen brachte. Aber ich bin froh, dass ich mit meinem Schritt zur GLP mithelfen konnte, Bewegung in die Europa-Debatte zu bringen. Und jetzt freue ich mich über die sachlichen und unterstützenden Diskussionen in meiner neuen Partei.

Wie wütend waren Ihre ehemaligen Genossen?
Die persönlichen Reaktionen kann ich an einer Hand abzählen. Von ausserhalb der Partei und auch von Wählenden der SP erfuhr ich viel Zuspruch.

Die SP wirft Ihnen vor, Sie hätten sich gar nie im Europa-Dossier engagiert.
Ich habe mich vor allem in die ­Sicherheits- und Bildungspolitik vertieft. In diesen Kommissionen engagierte ich mich ja auch. Aber Europa hat mich immer beschäftigt. Ich war die Erste, die im Sommer die kompromisslose Haltung der Gewerkschaften scharf kritisierte. Als ich deshalb aus der Gewerkschaft VPOD austrat, erklärte diese mir, ich müsste konsequenterweise auch aus der SP austreten. Ich muss mich nach 30 Jahren in der Partei nicht täglich für enge Beziehungen mit Europa aussprechen – das gehörte stets zur DNA der SP. Jedenfalls bis vor kurzem.

Wäre eine Kandidatur für ein Amt als GLP-Politikerin denkbar?
In diesem Jahr sicher nicht. Meine Arbeit als Schulpräsidentin in Winterthur macht mir grosse Freude, und es gibt viel zu tun. Eine Kandidatur irgendwann müsste ein gemeinsamer Wunsch und Entscheid der Partei und von mir sein.

Interview: Simon Marti

Frau Galladé, Sie dürften als Sozialdemokratin kaum je so viel Aufmerksamkeit erhalten haben wie durch Ihren Wechsel zur GLP. War es aus Ihrer Sicht eine gelungene Woche?
Chantal Galladé: Ich wollte wechseln, die Europapolitik der SP war dabei ein Aspekt, der das Fass zum Überlaufen brachte. Aber ich bin froh, dass ich mit meinem Schritt zur GLP mithelfen konnte, Bewegung in die Europa-Debatte zu bringen. Und jetzt freue ich mich über die sachlichen und unterstützenden Diskussionen in meiner neuen Partei.

Wie wütend waren Ihre ehemaligen Genossen?
Die persönlichen Reaktionen kann ich an einer Hand abzählen. Von ausserhalb der Partei und auch von Wählenden der SP erfuhr ich viel Zuspruch.

Die SP wirft Ihnen vor, Sie hätten sich gar nie im Europa-Dossier engagiert.
Ich habe mich vor allem in die ­Sicherheits- und Bildungspolitik vertieft. In diesen Kommissionen engagierte ich mich ja auch. Aber Europa hat mich immer beschäftigt. Ich war die Erste, die im Sommer die kompromisslose Haltung der Gewerkschaften scharf kritisierte. Als ich deshalb aus der Gewerkschaft VPOD austrat, erklärte diese mir, ich müsste konsequenterweise auch aus der SP austreten. Ich muss mich nach 30 Jahren in der Partei nicht täglich für enge Beziehungen mit Europa aussprechen – das gehörte stets zur DNA der SP. Jedenfalls bis vor kurzem.

Wäre eine Kandidatur für ein Amt als GLP-Politikerin denkbar?
In diesem Jahr sicher nicht. Meine Arbeit als Schulpräsidentin in Winterthur macht mir grosse Freude, und es gibt viel zu tun. Eine Kandidatur irgendwann müsste ein gemeinsamer Wunsch und Entscheid der Partei und von mir sein.

Interview: Simon Marti

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?