Das Stöckli stimmt grüner als der Nationalrat
Umwelt-Themen haben im Parlament einen schweren Stand

Seit den Wahlen haben Umweltthemen einen schweren Stand im Parlament. Und: Das Stöckli stimmt grüner als der Nationalrat.
Publiziert: 19.11.2017 um 15:33 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:00 Uhr
Im Ständerat wird grüner gestimmt als in der grossen Kammer.
Foto: Keystone
Marcel Odermatt und Simon Marti

Das Jahr 2017 darf durchaus als historisch bezeichnet werden – jedenfalls aus Sicht des Schweizer Umweltschutzes. Jahrzehntelange Kämpfe endeten im Mai mit einem grossen Sieg ökologischer Gruppierungen: Das Stimmvolk sagte mit 58 Prozent Ja zum Atomausstieg und sprach Milliarden an Subventionen für erneuerbare Energien.

Weniger Freude herrscht beim Blick ins Parlament. Dies zeigt das neue Öko-Rating der Umweltallianz. In diesem Zusammenschluss sind die vier wichtigsten Umweltschutzverbände vertreten – Greenpeace, Pro Natura, VCS und WWF. Nach eigenen Angaben mit dem Ziel, die Interessen des Natur- und Umweltschutzes auf politischer Ebene zu stärken.

Anhand von Umweltgeschäften der letzten vier Sessionen im National- und Ständerat hat die Allianz untersucht, wie die Parlamentarier ihre Abstimmungsknöpfe gedrückt haben. Vier Ergebnisse stechen dabei ins Auge:

1 . Während FDP und SVP im Nationalrat eine hauchdünne Mehrheit haben, sind im Stöckli CVP und SP klar in der Überzahl. Das wirkt sich auch auf den Umweltschutz aus. «Die Ständeräte haben für unsere Anliegen eher ein Gehör als die Nationalräte», so Michael Fust (38), Politik-Experte beim WWF. Bemerkenswert aber auch: Die Ständeräte der FDP stimmen sehr viel «grüner» ab als ihre Parteifreunde im Nationalrat.

2 . Der Rechtsrutsch bei den Wahlen 2015 wirkt sich aus. «Exponenten der FDP und SVP versuchen immer wieder, die Uhr mit Vorstössen im Umweltbereich zurückzudrehen», sagt Fust. Obwohl sie mit ihren Vorschlägen nicht immer eine Mehrheit finden, bedeuteten die Wahlen 2015 laut Fust doch eine Zäsur: «In der vergangenen Legislatur konnte der Umweltschutz noch ausgebaut werden. Heute geht es darum, das Erreichte zu verteidigen!»

3 . In der FDP hat die Sensibilität für grüne Anliegen abgenommen. «Im Vergleich zur letzten Legislatur spüren wir eine klare Abkehr», sagt Fust. Diesen Befund untermauert er mit Zahlen: Die Studie ermittelte aus den Abstimmungen einen Durchschnittswert – wer allen zentralen umweltpolitischen Vorlagen zustimmt, erreicht ein Rating von 100 Prozent. In der letzten Legislatur (2011–2015) stimmte die FDP noch zu 28 Prozent im Sinne der Umweltverbände. Heute liegt dieser Anteil nur noch bei 18,5 Prozent.

4 . Wer als Wähler 100 Prozent der Forderungen von Greenpeace, Pro Natura, VCS und WWF zum Durchbruch verhelfen will, kann eigentlich nur zwei Parteien wählen: SP und Grüne. Schon die Grünliberalen kommen nur noch auf 85 Prozent Übereinstimmung. Oder anders ausgedrückt: Immerhin in etwa einem von sieben Fällen entscheidet die GLP anders, als die vier Verbände es wollen. WWF-Mann Fust resümiert versöhnlich: «Wem Umweltanliegen wichtig sind, ist besonders mit Grünen, SP, GLP und EVP gut vertreten.» Auch bei der CVP und der BDP gebe es umweltfreundliche Politiker. «Bei FDP und SVP sind sie sehr dünn gesät, da lohnt es sich, genau hinzuschauen.»

Dennoch ist die Umweltallianz besorgt: «Die Schweiz hat sich mit der Unterzeichnung des Pariser ­Klimaabkommens verpflichtet, den Treibhausgasausstoss massiv zu senken», sagt Fust, was nur mit einer griffigen Umsetzung des CO2-Gesetzes möglich sei. «Ob dies auch gelingt, hängt von einzelnen Köpfen der FDP und SVP ab.»

Die Kritisierten aber lassen sich durch diese Bewertung nicht aus der Ruhe bringen. So sagt einer der am wenigsten umweltfreundlichen Nationalräte, SVP-Nationalrat Thomas Müller (64, SG): «Ich bin Stadtpräsident von Rorschach, da setze ich mich voll für die Umwelt ein.»

Was Thomas Müller damit ­sagen will: Kommunale Entscheide seien sicher ergiebiger als die meisten Abstimmungen im Parlament.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?