Die kommenden Wahlen werden den Ständerat gehörig durchschütteln. Beinahe die Hälfte der 46 Ratsmitglieder tritt im Oktober nicht mehr an. Zugleich streben prominente Vertreter aus dem Nationalrat einen Wechsel ins Stöckli an. Nun zeigt eine Erhebung der Universität Zürich, wer gute Chancen hat, im Herbst das Rennen zu machen – und für wen es eng wird.
In drei Kantonen deuten sich Verschiebungen von Sitzen zu anderen Parteien an: In Baselland hat derzeit die Grünen-Nationalrätin Maya Graf (57) die besseren Karten als ihr Ratskollege Eric Nussbaumer (59), der für die SP den Sitz des abtretenden Claude Janiak (70) verteidigen soll. Im Kanton Schwyz wird es die SVP schwer haben, ihre Doppelvertretung nach dem Rücktritt von Peter Föhn (66) zu halten. Und im Tessin bedrängt die Lega den altgedienten CVP-Vertreter Filippo Lombardi (63). Eine Sitzverschiebung südlich des Gotthards liege im Bereich des möglichen, schreibt der Zürcher Professor Oliver Strijbis in einem Beitrag, der gestern auf der Plattform DeFacto publiziert wurde. DeFacto wird von mehreren Schweizer Hochschulen getragen. Gegenüber SonntagsBlick erklärt Oliver Strijbis die mögliche Überraschung im Südkanton: «Im Tessin ist die Lega stark. Wird sie jetzt noch von der SVP unterstützt, hat die Lega durchaus Chancen, den Sitz von Lombardi zu erringen.»
Wermuth profitiert von schwacher Konkurrenz
Seine Schlüsse gründet Politologe Strijbis auf einen Prognosemarkt, den die Universität Zürich derzeit durchführt. Vereinfacht gesagt, werden dabei Wetten auf den Wahlausgang abgeschlossen und Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen möglichen Wahlausgänge errechnet (siehe Box). Diese Methode liefere bei Abstimmungen und bei der Vorhersage von Wähleranteilen präzise Prognosen, so Strijbis. In diesem Jahr wendet er das Verfahren erstmals auf den Ständerat an. Zwar deuten sich auf alle 46 Sitze gesehen keine groben Verschiebungen unter den Parteien an. In manchen Duellen aber überrascht genau diese Stabilität. Zum Beispiel im Aargau, wo beide Sitze neu zu besetzen sind. Dort gilt derzeit gemäss Prognosemarkt eine Wahl des Freisinnigen Thierry Burkart (43) und des SP-Nationalrats Cédric Wermuth (33) als wahrscheinlichstes Szenario. Nun stellt die SP in diesem ausgesprochen bürgerlichen Kanton mit Pascale Bruderer (42) seit acht Jahren eine Ständerätin. Allerdings ist sie eine Vertreterin des moderaten Flügels. Ganz anders der ehemalige Juso-Chef Wermuth – er ist eine Galionsfigur des linken Parteiflügels.
SVP macht Negativschlagzeilen
Gelingt ihm die Wahl, würde sich für einmal eben kein «eingemitteter» Kandidat einer Polpartei bei Majorzwahlen durchsetzen. Tatsächlich erklärt sich Wermuths Stärke nicht zuletzt aus der Schwäche der Konkurrenz: Die Aargauer SVP, die mit Abstand stärkste Kraft im Kanton, macht seit Monaten Negativschlagzeilen.Ziemlich klein wiederum sind die Chancen von Roger Köppel (54, SVP) auf einen Wechsel in den Ständerat: Die Wahrscheinlichkeit einer Wiederwahl der beiden Bisherigen Daniel Jositsch (54, SP) und Ruedi Noser (58, FDP) steht derzeit bei etwa 80 Prozent.