BLICK: Herr Blocher, Sie lachen sich bestimmt schon ins Fäustchen!
Christoph Blocher: Wieso?
Der Bundesrat will rasch einen Rahmenvertrag abschliessen – und liefert Ihnen fürs Wahljahr 2019 damit mächtig Munition.
Auch das wird der Bundesrat zu verhindern wissen. Eine allfällige Volksabstimmung zum Rahmenvertrag wird sicherlich bis nach den Wahlen hinausgeschleppt. Für die Politiker wäre es im Wahljahr äusserst peinlich, hinstehen zu müssen und zu sagen: Wir sind dafür, dass in Zukunft die Schweizer ihr Stimmrecht für Schweizer Gesetze an die EU abgeben müssen. Sollen die Schweizer Stimmbürger ihrer eigenen Entmachtung zustimmen?
Wieso sperren Sie sich bereits fundamental gegen einen Rahmenvertrag, obwohl noch gar nicht klar ist, was die Schweiz in der Verhandlung herausholen wird?
Was klar ist, genügt, um klar Nein zu sagen: Die Schweiz müsste sich verpflichten, dass die EU für Schweizer verbindliche Gesetze macht. Die EU wird zum alleinigen Gesetzgeber für alles, was den europäischen Binnenmarkt betrifft. Was das sein wird, bestimmt ebenfalls die EU. Die Schweiz hätte nichts mehr zu bestimmen.
Sie übertreiben! Der Bundesrat strebt eine dynamische, keine automatische Rechtsübernahme an. Das Schweizer Volk kann zu neuem EU-Recht sehr wohl Nein sagen.
Es kann Nein sagen, aber wird dann von der EU bestraft. Sie können auch in der Schweiz auf den Autobahnen 200 km/h schnell fahren. Sie haben diese Freiheit, stimmt. Nur: Sie müssen auch mit den Konsequenzen leben – mit der Strafe! Das wäre beim Rahmenabkommen dasselbe. Die EU bekäme mit dem Vertrag das Recht und die Pflicht, Gegenmassnahmen zu ergreifen, wenn die Schweiz nicht spuren würde.
Ein paritätisch zusammengesetztes Schiedsgericht – und nicht fremde Richter – würde entscheiden, ob solche Gegenmassnahmen angemessen sind oder nicht.
Also als Vergleich: Wenn Sie das Gericht mit vier Monaten Strafe wegen zu schnellen Fahrens verurteilt, könnte noch ein Schiedsgericht urteilen, ob vier oder drei Monate Gefängnis angemessen wären. Nein, es geht um die schweizerische Freiheit. Wir dürfen einen solchen Vertrag nicht unterschreiben. Man will doch nicht allen Ernstes die schweizerische Demokratie abschaffen, nur, damit ein paar Exporteure ein bisschen einfacher exportieren können.
Es geht doch um mehr – etwa darum, dass die Schweizer Börsenäquivalenz wieder unbefristet gilt. Sie schaden mit Ihrer Fundamental-Blockade ganz bewusst der Schweizer Wirtschaft!
Die Schweiz kann das Börsen-Problem auf eigene Faust und ohne die EU regeln. Entsprechende Projekte laufen im Departement von Bundesrat Ueli Maurer bereits.
Aus EU-Sicht sind die bilateralen Verträge an einem Ende angelangt, wenn es kein Rahmenabkommen gibt.
Im Gegenteil: Das institutionelle Rahmenabkommen ist das Ende des bilateralen Weges. Denn dieser funktioniert nur dann, wenn zwei gleichberechtigte Seiten miteinander einen Vertrag abschliessen und nicht, wenn einer befiehlt. Der Rahmenvertrag ist wie ein bilateraler Mietvertrag, bei dem der Vermieter den Mietzins erhöhen kann und der Mieter diesen schlucken müsste, wenn er nicht Sanktionen in Kauf nehmen will. Einen solchen Vertrag unterschreibt kein vernünftiger Mensch.
Ohne Rahmenabkommen bekommt die Schweiz keine neuen Marktzugangsabkommen mit der EU. Zum Nachteil für unser Land.
Wir brauchen auch keine bedeutenden Dinge. Sollte die EU mit Nadelstichen einen Wirtschaftskrieg entfachen, gibt es Gegenmittel. Bedenken Sie: 2016 verkaufte die EU Produkte im Wert von 262 Milliarden Franken in die Schweiz, diese in die EU nur für 220 Milliarden!
Ignazio Cassis hat der SVP als Bundesratskandidat versprochen, den Reset-Knopf zu drücken. Geändert hat sich praktisch nichts.
Wie erwartet nichts Wesentliches. Er kann weder aus seiner Haut noch aus seinem Umfeld fliehen. Nun legt er alten Wein in neuen Schläuchen vor. Aber es bleibt die Abschaffung der schweizerischen Demokratie, das dürfen wir nie akzeptieren. Ich kenne wenige Bundesräte, die nach den Wahlen gemacht haben, was sie vor den Wahlen versprochen haben. Ich war da eine Ausnahme. (lacht)
Wird der Widerstand gegen den Rahmenvertrag für Sie nochmals ein grosser Kampf wie gegen den EWR?
Hoffentlich nicht nur für mich. Das ist jetzt schon meine politische Haupttätigkeit. Es gilt, den Kampf gegen die Abschaffung der schweizerischen Demokratie nicht nur zu führen, sondern zu gewinnen.
Werden Sie den Posten als SVP-Strategiechef aufgeben, um sich voll auf ihren Anti-EU-Kampf zu konzentrieren?
Bis jetzt ist beides möglich. Die Abstimmung kommt wohl erst 2020, da bleibt mir noch genügend Zeit zu entscheiden.
Dann bleiben Sie Strategiechef?
Die Strategie für die Wahlen 2019 steht bereits. Alles weitere haben wir bis zum 23. März 2018 zu entscheiden.
Braucht es nicht eine Verjüngung?
Doch, doch. Aber nur jung oder nur alt allein bringt nichts. Die Jungen haben mehr Energie, die Alten mehr Erfahrung, darum braucht es beide.
Ziehen Sie sich zurück, wenn Ihre Tochter in den Parteileitungsausschuss will?
Sie will nicht, obwohl sie eine starke Kraft wäre. Mein Rückzug hängt aber nicht von der Mitwirkung meiner Tochter ab.
Ein anderes Thema: Der Bundesrat will die EU-Waffenrichtlinie übernehmen. Was halten Sie davon?
Wieder ein fremder Ukas, der uns aufgezwungen wird. Dagegen muss man unbedingt das Referendum ergreifen, das würde ich unterstützen. Diese Richtlinie bedeutet eine Einschränkung unseres freiheitlichen Waffenrechts, das haben wir schon mehrmals abgelehnt.
Ein erfolgreiches Referendum würde das Schengen-Abkommen in Gefahr bringen.
Und? Das ist in Kauf zu nehmen.
Der Verlust des Schengen-Abkommens würde uns laut Bundesrat Hunderte Millionen Franken kosten.
Nein, im Gegenteil: Weniger Kosten, weniger Kriminalität und mehr Freiheit.
Haben Sie selber Waffen?
Natürlich. Ich bin ja Oberst a.D. der Schweizer Armee.
Christoph Blocher (77) ist wohl der Mann, der die Politik der Schweiz in den letzten 20 Jahren am stärksten geprägt hat. Er hat die SVP zur grössten Partei des Landes gemacht und lenkt noch heute ihre Geschicke, wenn auch aus dem Hintergrund.
Vizepräsident und Strategiechef
Noch ist er Vizepräsident und Strategiechef der SVP. Doch in den letzten Wochen hiess es, er wolle sich zurückziehen und seine ganze Kraft in den Kampf gegen das Rahmenabkommen mit der EU stecken.
Christoph Blocher (77) ist wohl der Mann, der die Politik der Schweiz in den letzten 20 Jahren am stärksten geprägt hat. Er hat die SVP zur grössten Partei des Landes gemacht und lenkt noch heute ihre Geschicke, wenn auch aus dem Hintergrund.
Vizepräsident und Strategiechef
Noch ist er Vizepräsident und Strategiechef der SVP. Doch in den letzten Wochen hiess es, er wolle sich zurückziehen und seine ganze Kraft in den Kampf gegen das Rahmenabkommen mit der EU stecken.