Paukenschlag im bislang ereignisarmen Stadtzürcher Wahlkampf. Claudia Nielsen (56) tritt bei den Wahlen vom 4. März nicht mehr an. Die SP-Politikerin begründet dies damit, dass sie die politische Verantwortung für «fragwürdige Verbuchungen und Verwendungen von ärztlichen Honoraren» im Stadtspital Triemli übernehme.
Nielsen steht seit längerem wegen ihrer Spitalstrategie und Personalpolitik in der Kritik, weshalb ihre Wiederwahl akut gefährdet war. Mit ihrem Abgang kam sie nun ihrer Abwahl zuvor. Beim Politbarometer der «NZZ» und der Forschungsstelle Sotomo vom Dezember landete Nielsen abgeschlagen auf dem dreizehnten Platz. Sie wäre damit hochkant aus dem neunköpfigen Stadtrat geflogen.
SP im Schlamassel
Wie reagiert die SP auf den überraschenden Rücktritt? «Es ist alles offen. Am Donnerstagabend haben wir Geschäftsleitungssitzung», sagt Marco Denoth, SP-Co-Präsident der Stadt Zürich, dazu einzig. Der Stadtrat sei vom persönlichen Entscheid überrascht worden und bedauere ihn – respektiere ihn aber auch, so SP-Stadtpräsidentin Corine Mauch (57). «Es ist nach Ansicht des Stadtrats ein sehr mutiger Entscheid, ein konsequenter Entscheid.»
Dennoch: Der Rückzug Nielsens kommt für die Partei zum denkbar ungünstigsten Moment. Die Wahlplakate mit dem Konterfei Nielsens hängen schon, die Wahlunterlagen sind längst verschickt. Die ersten Stadtzürcher haben bereits gewählt.
«Ich kann mir nicht vorstellen, dass die SP zu diesem Zeitpunkt einen valablen Kandidaten aus dem Hut zaubern kann», sagt Politikwissenschaftler Michael Hermann (46). Der oder die Person hätte kaum Chancen. «Ich gehe deshalb davon aus, dass der SP-Sitz weg ist», so Hermann weiter.
Wohl keine Machtverschiebung trotz Nielsens Abgang
Die Sozialdemokraten stellen vier Stadträte, die Grünen und die AL je einen. Die Bürgerlichen sind mit zwei FDPlern und einem CVPler klar in der Minderheit.
Wer profitiert nun vom Abgang Nielsens? Gemäss der Umfrage von Hermann und seiner Forschungsstelle Sotomo haben die Grünen mit Karin Rykart (46) gute Chancen, einen zweiten Sitz zu gewinnen. Um den letzten Sitz werden sich wohl die bürgerlichen Parteien SVP, GLP und CVP streiten. Es dürfte also mit oder ohne Nielsen bei der linken Übermacht von sechs zu drei bleiben.