Lebenserwartung steigt und die Babyboomer kommen in Rente. Ohne Gegenmassnahmen drohen der AHV jährlich Milliardenlöcher. Nicht besser sieht es bei den Pensionskassen aus, welche durch das Tiefzinsumfeld zusätzlich unter Druck stehen.
Für die Lösung der Problematik gibt es drei Möglichkeiten: mehr Beiträge bezahlen, länger arbeiten oder die Leistungen kürzen.
SP-Bundesrat Alain Berset setzt den Schwerpunkt in seiner Rentenreform vor allem auf höhere Beiträge und Mehreinnahmen.
Jetzt zeigt eine neue Demoscope-Umfrage, die BLICK exklusiv vorliegt: Das Stimmvolk ist mit dieser Stossrichtung einverstanden.
Junge sind bereit mehr zu zahlen
So ist eine Mehrheit von 53 Prozent bereit, für die langfristige Finanzierung der Altersvorsorge zusätzliche Beiträge zu bezahlen beziehungsweise Mehrkosten zu tragen. Nur knapp ein Viertel würde lieber Leistungsreduktionen wie zum Beispiel tiefere Renten in Kauf nehmen. Acht Prozent sprechen sich für eine Mischform aus und möchten von beidem etwas. Der Rest ist noch unentschlossen.
Eines sticht besonders ins Auge: Während die Reformgegner nicht müde werden zu betonen, dass die Jungen die Zeche bezahlen müssten, sind ausgerechnet die Jungen am ehesten bereit, finanzielle Mehrkosten zu schultern. So plädierten 54 Prozent der 15- bis 54-Jährigen für den Weg über zusätzliche Beträge. Bei den Älteren sind es 49 Prozent. Noch deutlicher wird der Unterschied, wenn man nur die über 75-Jährigen betrachtet: Hier plädiert nur gut jeder Dritte für höhere Beiträge.
Romandie unterstützt Rentenkürzungen eher
Zudem gibt es einen kleinen Röstigraben. In der Deutschschweiz sagen 58 Prozent Ja zu Mehrkosten, in der Romandie nur 35 Prozent. Für Leistungskürzungen sind bei den Welschen trotzdem nur 27 Prozent zu haben, in der Deutschschweiz gar nur 22 Prozent. Je acht Prozent votieren für eine Mischrechnung. Was auffällt: In der Romandie hat fast ein Drittel noch keine Meinung zu dieser Thematik.
Interessant sind auch die Unterschiede nach Haushaltseinkommen. Knapp die Hälfte jener, die unter 5000 Franken monatlich verdienen, mögen Mehrkosten tragen. Deutlich unter dem Schnitt liegt aber auch der Anteil jener, welche Leistungskürzungen befürworten. Nur jeder Sechste findet das okay.
Jene mit höheren Einkommen ab 9000 Franken wiederum zeigen sich durchaus solidarisch und sind mehrheitlich bereit, Mehrkosten zu schultern. In dieser Kategorie erachtet hingegen auch jeder Vierte Leistungsreduktionen als den richtigen Weg.
Bevölkerung pocht auf Kompromiss
Was aus der Umfrage ebenfalls hervorgeht: Die Bevölkerung pocht auf einen Kompromiss. So findet eine klare Zweidrittelmehrheit gut, dass die Politik eine Kompromisslösung gefunden hat, und gibt dieser den Vorzug.
Ganz im Sinne Bersets. Dieser hatte letzte Woche zum Auftakt seines Abstimmungskampfes betont: «Die Reform der Altersvorsorge ist ein echter Kompromiss: Alle müssen etwas geben, aber alle bekommen auch etwas.»
Rund einem Siebtel der Befragten wäre es hingegen lieber gewesen, eine der beiden Ratsseiten hätte sich durchgesetzt – also entweder einer klar linken beziehungsweise einer klar bürgerlichen Lösung den Vorzug gegeben.
Die jetzige Reformvorlage wird von SP, CVP, Grünen, Grünliberalen, BDP, EVP und Lega mitgetragen. SVP und FDP sowie einige Linksaussenparteien lehnen sie ab.
Drei-Säulen-System
Die Altersvorsorge basiert auf drei Säulen: die für alle Einwohner obligatorische AHV, die für die meisten Erwerbstätigen obligatorische berufliche Vorsorge (Pensionskassen, PK) und die freiwillige Selbstvorsorge.
Vollrente
Eine Vollrente erhält derzeit, wer während 44 (Männer) oder 43 Jahren (Frauen) Beiträge eingezahlt hat – vom 20. Lebensjahr bis zum Rentenalter. Wer Beitragslücken aufweist, hat nur Anspruch auf eine Teilrente. Jedes fehlende Beitragsjahr führt zu einer Kürzung der Rente um etwa 2,3 Prozent.
Plafond
Die Summe der beiden Einzelrenten eines Ehepaares darf höchstens 150 Prozent der Maximalrente von aktuell 2350 Franken pro Monat betragen. Wird dieser Höchstbetrag überschritten, werden die Einzelrenten entsprechend gekürzt. Mit der Reform der Altersvorsorge soll der Plafond auf 155 Prozent der Maximalrente, die dann bei 2420 Franken liegen wird, erhöht werden.
Umlageverfahren
Die AHV funktioniert nach dem Umlageverfahren. Das heisst, dass die laufenden Renten aus den laufenden Beiträgen bezahlt werden. Im Gegensatz dazu basiert die zweite Säule auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Vereinfacht ausgedrückt funktioniert eine PK wie ein Sparkonto: Jede Person spart für sich selbst.
Eintrittsschwelle
Damit eine Person in der zweiten Säule versichert ist, muss sie bei einem Arbeitgeber einen Jahreslohn von mindestens 21'150 Franken erzielen.
Koordinationsabzug
Er bestimmt, welcher Lohn bei der PK versichert ist. Er wird angewendet, um den Lohnanteil, der schon mit der AHV abgesichert ist, nicht noch einmal abzusichern. Der Abzug beträgt derzeit 24'675 Franken. Mit der Reform soll er gesenkt und flexibilisiert werden. Generell beträgt er dann 40 Prozent des Jahreslohnes, jedoch mindestens 14'100 Franken und höchstens 21'150 Franken.
Altersguthaben
Das ist das angesparte Kapital in der zweiten Säule. Es besteht aus den eingezahlten Beiträgen und allenfalls freiwilligen Einkäufen samt Zinsen.
Umwandlungssatz
Damit wird aus dem Altersguthaben die jährliche PK-Rente errechnet. Heute liegt der Umwandlungssatz im Obligatorium bei 6,8 Prozent. Das heisst, aus einem Alterskapital von 100'000 Franken resultiert eine Rente von 6800 Franken im Jahr. Der Satz soll nun auf 6,0 Prozent gesenkt werden, weil das Altersguthaben aufgrund der steigenden Lebenserwartung länger reichen muss. Die Senkung würde bedeuten, dass die Renten um 12 Prozent sinken. Kompensationsmassnahmen sorgen dafür, dass dies nicht passiert.
Obligatorium und Überobligatorium
Das Gesetz definiert, welche Erwerbstätigen in eine PK einzahlen müssen und welche Minimalleistungen sie dafür erwarten dürfen. Obligatorisch versichert sind die Löhne zwischen 21'150 und 84'600 Franken. Viele PK richten aber Leistungen über das BVG-Obligatorium hinaus aus. Zum Beispiel verzichten sie auf die Eintrittsschwelle oder den Koordinationsabzug. In diesem Fall spricht man von der überobligatorischen Vorsorge.
Übergangsgeneration
Personen, die zwischen 1953 und 1973 geboren sind, wären von der Senkung des Umwandlungssatzes besonders stark betroffen. Sie hätten keine Zeit, die Rentenkürzung durch Beitragszahlungen abzufangen, und kommen daher in den Genuss von zusätzlichen Kompensationsmassnahmen. Diese sorgen dafür, dass sie keine Renteneinbussen haben.
Drei-Säulen-System
Die Altersvorsorge basiert auf drei Säulen: die für alle Einwohner obligatorische AHV, die für die meisten Erwerbstätigen obligatorische berufliche Vorsorge (Pensionskassen, PK) und die freiwillige Selbstvorsorge.
Vollrente
Eine Vollrente erhält derzeit, wer während 44 (Männer) oder 43 Jahren (Frauen) Beiträge eingezahlt hat – vom 20. Lebensjahr bis zum Rentenalter. Wer Beitragslücken aufweist, hat nur Anspruch auf eine Teilrente. Jedes fehlende Beitragsjahr führt zu einer Kürzung der Rente um etwa 2,3 Prozent.
Plafond
Die Summe der beiden Einzelrenten eines Ehepaares darf höchstens 150 Prozent der Maximalrente von aktuell 2350 Franken pro Monat betragen. Wird dieser Höchstbetrag überschritten, werden die Einzelrenten entsprechend gekürzt. Mit der Reform der Altersvorsorge soll der Plafond auf 155 Prozent der Maximalrente, die dann bei 2420 Franken liegen wird, erhöht werden.
Umlageverfahren
Die AHV funktioniert nach dem Umlageverfahren. Das heisst, dass die laufenden Renten aus den laufenden Beiträgen bezahlt werden. Im Gegensatz dazu basiert die zweite Säule auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Vereinfacht ausgedrückt funktioniert eine PK wie ein Sparkonto: Jede Person spart für sich selbst.
Eintrittsschwelle
Damit eine Person in der zweiten Säule versichert ist, muss sie bei einem Arbeitgeber einen Jahreslohn von mindestens 21'150 Franken erzielen.
Koordinationsabzug
Er bestimmt, welcher Lohn bei der PK versichert ist. Er wird angewendet, um den Lohnanteil, der schon mit der AHV abgesichert ist, nicht noch einmal abzusichern. Der Abzug beträgt derzeit 24'675 Franken. Mit der Reform soll er gesenkt und flexibilisiert werden. Generell beträgt er dann 40 Prozent des Jahreslohnes, jedoch mindestens 14'100 Franken und höchstens 21'150 Franken.
Altersguthaben
Das ist das angesparte Kapital in der zweiten Säule. Es besteht aus den eingezahlten Beiträgen und allenfalls freiwilligen Einkäufen samt Zinsen.
Umwandlungssatz
Damit wird aus dem Altersguthaben die jährliche PK-Rente errechnet. Heute liegt der Umwandlungssatz im Obligatorium bei 6,8 Prozent. Das heisst, aus einem Alterskapital von 100'000 Franken resultiert eine Rente von 6800 Franken im Jahr. Der Satz soll nun auf 6,0 Prozent gesenkt werden, weil das Altersguthaben aufgrund der steigenden Lebenserwartung länger reichen muss. Die Senkung würde bedeuten, dass die Renten um 12 Prozent sinken. Kompensationsmassnahmen sorgen dafür, dass dies nicht passiert.
Obligatorium und Überobligatorium
Das Gesetz definiert, welche Erwerbstätigen in eine PK einzahlen müssen und welche Minimalleistungen sie dafür erwarten dürfen. Obligatorisch versichert sind die Löhne zwischen 21'150 und 84'600 Franken. Viele PK richten aber Leistungen über das BVG-Obligatorium hinaus aus. Zum Beispiel verzichten sie auf die Eintrittsschwelle oder den Koordinationsabzug. In diesem Fall spricht man von der überobligatorischen Vorsorge.
Übergangsgeneration
Personen, die zwischen 1953 und 1973 geboren sind, wären von der Senkung des Umwandlungssatzes besonders stark betroffen. Sie hätten keine Zeit, die Rentenkürzung durch Beitragszahlungen abzufangen, und kommen daher in den Genuss von zusätzlichen Kompensationsmassnahmen. Diese sorgen dafür, dass sie keine Renteneinbussen haben.
Wir alle werden älter. Das ist eine gute Nachricht für uns, jedoch eine schlechte für AHV und Pensionskassen. Sie brauchen mehr Geld – und das in Zeiten, in denen es von Erspartem kaum noch eine Rendite gibt. Ohne Korrekturen führt dies zum Kollaps des Systems. Deshalb wollen Bundesrat und Parlament handeln: Am 24. September stimmen wir über die Reform «Altersvorsorge 2020» ab. Heute zeigt BLICK, wie sie funktioniert. Es ist der Auftakt einer sechsteiligen Serie. Am 6. Juli vor 70 Jahren sagten die Schweizer Ja zum AHV-Gesetz. BLICK blickt diese Woche zurück, schildert aber auch die Herausforderungen der Zukunft. Sozialminister Alain Berset erklärt im grossen Interview, warum die Reform so wichtig ist. Im Streitgespräch zum Schluss kreuzen CVP-Präsident Gerhard Pfister und FDP-Chefin Petra Gössi die Klingen – damit Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, Ihre eigene Meinung bilden können.
Wir alle werden älter. Das ist eine gute Nachricht für uns, jedoch eine schlechte für AHV und Pensionskassen. Sie brauchen mehr Geld – und das in Zeiten, in denen es von Erspartem kaum noch eine Rendite gibt. Ohne Korrekturen führt dies zum Kollaps des Systems. Deshalb wollen Bundesrat und Parlament handeln: Am 24. September stimmen wir über die Reform «Altersvorsorge 2020» ab. Heute zeigt BLICK, wie sie funktioniert. Es ist der Auftakt einer sechsteiligen Serie. Am 6. Juli vor 70 Jahren sagten die Schweizer Ja zum AHV-Gesetz. BLICK blickt diese Woche zurück, schildert aber auch die Herausforderungen der Zukunft. Sozialminister Alain Berset erklärt im grossen Interview, warum die Reform so wichtig ist. Im Streitgespräch zum Schluss kreuzen CVP-Präsident Gerhard Pfister und FDP-Chefin Petra Gössi die Klingen – damit Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, Ihre eigene Meinung bilden können.