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Chefin der Flüchtlingshilfe kritisiert schnellere Asylverfahren
«Jede dritte Asyl-Beschwerde ist erfolgreich»

Die Chefin der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Miriam Behrens, geht mit den neuen Asylverfahren hart ins Gericht. Die Qualität leide unter dem Tempo – das zeige auch die hohe Anzahl gutgeheissener Asyl-Beschwerden.
Publiziert: 04.02.2020 um 11:59 Uhr
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Aktualisiert: 04.02.2020 um 12:16 Uhr
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Seit knapp einem Jahr sind die neuen Asylverfahren in Kraft.
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Seit knapp einem Jahr werden die Asylverfahren in der Schweiz im beschleunigten Verfahren durchgeführt. Das Ziel: Die Asylsuchenden sollen schneller und fairer über ihre Perspektiven informiert werden.

Nun zieht die Direktorin der Schweizer Flüchtlingshilfe, Miriam Behrens, im Interview mit der NZZ erstmals Bilanz – und die fällt negativ aus.

Fokus aufs Tempo

«Das Staatssekretariat für Migration fokussiert derzeit fast nur aufs Tempo», kritisiert Behrens. Darunter leide in erster Linie die Qualität der Verfahren.

Die meisten Asylgesuche würden im beschleunigten Verfahren abgewickelt, das weniger als 50 Tage daure. Hinzu komme, dass weniger Gesuche genauer geprüft würden als ursprünglich vom Bund geplant.

«Die Sachverhalte werden nicht genügend gut abgeklärt», ist Behrens überzeugt. Gerade sorgfältige medizinischen Untersuchungen der Flüchtlinge litten oft unter dem Zeitdruck.

Hohe Rückweisungsquote

Die mangelnde Qualität spiegelt sich laut Behrens auch in der hohen Anzahl Fälle, die vom Bundesverwaltungsgericht an das Staatssekretariat für Migration (SEM) zurückgewiesen werden: «Der Anteil der Beschwerden von Asylbewerbern, bei denen das SEM nochmals über die Bücher muss betrug in den ersten sechs Monaten 16,8 Prozent», erklärt Behrens.

Die Rückweisungsquote sei damit fast viermal so hoch wie noch unter dem alten Regime. Das Bundesverwaltungsgericht mahnt jedoch vor voreiligen Schlüssen, da die Fallzahl derzeit noch sehr tief sei.

Jede dritte Beschwerde erfolgreich

Dass Asyl-Beschwerden häufiger erfolgreich seien, beobachtet die Flüchtlingshilfe auch in den vier Asyl-Regionen, in denen die Organisation Rechtsvertreter für die Abwicklung der Verfahren stellt.

«Dort war seit dem Start der neuen Verfahren jede dritte Beschwerde eines Asylsuchenden erfolgreich», sagt Behrens. Das heisse, dass die Beschwerde ganz oder teilweise gutgeheissen oder das Asyldossier ans SEM zurückgeschickt worden sei.

«Das ist deutlich mehr als im Testbetrieb», stellt die Chefin der Flüchtlingshilfe fest. Im Testbetrieb habe in den ersten anderthalb Jahren nur jede siebe bis achte Beschwerde Erfolg gehabt. «Das zeigt eindeutig, dass es bei der Qualität Probleme gibt.»

Gattiker will bald Bilanz ziehen

Und wie reagiert man beim SEM auf die Vorwürfe? Staatssekretär Mario Gattiker (62) werde am Donnerstag vor den Medien ebenfalls eine Bilanz zu den beschleunigten Asylverfahren ziehen, teilt das SEM auf Nachfrage mit. Dabei werde er auch auf die Anschuldigungen der Flüchtlingshilfe eingehen.

(til)

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