Ein Schweizer an der Spitze einer Uno-Organisation droht zum Reputationsrisiko für die Eidgenossenschaft zu werden. Pierre Krähenbühl (53), Chef des Uno-Palästinenser-Hilfswerks UNRWA, soll sich der Vetternwirtschaft, Diskriminierung und des Amtsmissbrauchs schuldig gemacht haben.
Wie die französische Nachrichtenagentur Agence France-Presse berichtet, soll der Genfer etwa seine Geliebte zur persönlichen Beraterin ernannt haben und mit ihr auf Uno-Kosten um den Globus gereist sein – Business Class. Er soll monatelang nicht im Büro in Jerusalem, sondern mit der Frau auf Reisen gewesen sein und dafür Taggelder eingestrichen haben.
Business Class mit der Geliebten?
Der katarische Nachrichtensender Al Jazeera hatte am Montag zuerst über die Vorwürfe gegen Krähenbühl und weitere UNRWA-Manager berichtet. Diese stammen aus einer internen Ethik-Untersuchung des Hilfswerks. Darin seien «glaubwürdige und bestätigte» Anschuldigungen erhoben worden. Die Uno hat unterdessen die interne Aufsicht eingeschaltet.
Krähenbühl, verheiratet und Vater von drei Kindern, ist der Hauptbeschuldigte, aber nicht der einzige. Seit 2015 soll der oberste UNRWA-Zirkel seine Macht mehr und mehr ausgebaut und missbraucht haben. So soll auch Krähenbühls ehemalige Stellvertreterin Sandra Mitchell ihrem Mann eine gut bezahlte Stelle verschafft haben. Ein weiterer hoher Beamter, der ebenfalls nicht mehr bei der UNRWA beschäftigt ist, wird im Bericht als «Gangster» bezeichnet.
Krähenbühl: Vorwürfe, keine Erkenntnisse
Laut UNRWA hat Krähenbühl alle Mitarbeiter angewiesen, bei der Untersuchung uneingeschränkt mitzuarbeiten. «Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen, und der UNRWA wurden keine Ergebnisse mitgeteilt», wird Krähenbühl auf Al Jazeera zitiert. Das Hilfswerk könne sich nicht zu einer laufenden Untersuchung äussern, und alles, was jetzt im Umlauf ist, seien Vorwürfe und keine Erkenntnisse.
Aufgeschreckt ist inzwischen auch das Schweizer Aussendepartement EDA, welches das Hilfswerk UNRWA grosszügig unterstützt – letztes Jahr mit rund 20 Millionen Franken. Man stehe mit den anderen Geldgebern in Kontakt und werde nach den Untersuchungsergebnissen entscheiden, welche Massnahmen zu ergreifen sind. Bis dahin legt die Schweiz ihre Unterstützung auf Eis. Abgesehen vom jährlichen Beitrag, der für 2019 bereits bezahlt sei, verzichte das EDA auf neue finanzielle Verpflichtungen.
Ein Hilfswerk in der Dauerkritik
Das UNRWA-Hilfswerk wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, als mehr als 700'000 Palästinenser aus ihren Häusern vertrieben worden oder selbst aus ihnen geflohen waren. Palästinensische Flüchtlinge und ihre Nachkommen im Nahen Osten, deren Zahl inzwischen mehr als fünf Millionen beträgt, verlassen sich auf die UNRWA für Gesundheits-, Schul- und Sozialdienste.
Das Hilfswerk beschäftigt rund 30'000 Mitarbeiter, vor allem Palästinenser, doch nach massiven Kürzungen durch die Trump-Administration droht ihm die Schliessung. Auch Aussenminister Ignazio Cassis (58) hatte sich im letzten Frühling extrem kritisch zur Organisation geäussert. Diese sei «nicht Teil der Lösung, sondern des Palästinenser-Problems», so Cassis damals.