Aus der Bevölkerung – für die Bevölkerung. So präsentiert sich das Komitee, das am Donnerstag in Bern das Referendum gegen das Gesetz zur Überwachung von Versicherten – das Schnüffel-Gesetz – lanciert hat.
Einerseits besteht das Komitee aus Privatpersonen, die sich vorher persönlich gar nicht kannten: Autorin Sibylle Berg (49), Anwalt Philip Stolkin (52) und Student Dimitry Rougy (21). Andererseits bekamen die Urheber des Referendums von inzwischen fast 12'000 Personen Unterstützung zugesichert.
Dass das Komitee aus Privatpersonen besteht, war bei der Lancierung offensichtlich. Die Kundgebung auf dem Bundesplatz fand ohne Bühne, Lautsprecher und Mikrofone statt. Stattdessen mussten die Rednerinnen und Redner mit einem weissen Gartenstuhl vorliebnehmen. Durch die lärmige Sanierung des nebenan gelegenen Parlamentsgebäudes verstand das Publikum von den Reden trotz der leicht erhöhten Position eher wenig.
Angst vor einem Überwachungsstaat
Das Komitee eint vor allem eines: Seine Mitglieder haben genug. Genug davon, dass die Armen und Schwachen des Landes härter verfolgt werden als Terroristen oder Steuerbetrüger. Genug davon, dass die Lobbyisten im Parlament die Versicherungen hofieren und deren Renditen verteidigen. Und genug davon, dass die Schweiz zum Überwachungsstaat ausgebaut werde.
Durch solch eher klassische Parolen wurde das Komitee flugs ins Lager der Linken, wenn nicht sogar Linksextremen gesteckt. Das ärgert sie. Sie seien zwar Extremisten, sagt Stolkin. Aber Extremisten der Verfassung. Sie würden nicht länger hinnehmen, dass die verfassungsmässig garantierten Grundrechte weiter ausgehöhlt würden. Aber das mache sie nicht zu Linken: Die Verfassung betreffe schliesslich die ganze Bevölkerung.
Parteien bisher unentschlossen
Ob sich aber waschechte Bürgerliche für das Referendum erwärmen können, ist fraglich. Immerhin haben fünf Jungfreisinnige am Dienstag einen dringenden Unterstützungsantrag zuhanden der Delegiertenversammlung am Samstag eingereicht. Ihrer Meinung nach müssten die Jungfreisinnigen nach ihrem Kampf gegen das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) und gegen das neue Geldspielgesetz auch hier mitmischen.
Auch von Links hapert es noch mit der Support für Berg und Co. Bei der Lancierung traten mit der Basler SP-Nationalrätin Silvia Schenker (64) und der Genfer Grünen-Nationalrätin Lisa Mazzone (30) zwar zwei prominente Unterstützerinnen auf. Jedoch bleibt es bisher bei vereinzelten Engagements.
Die Delegierten werden entscheiden
Immerhin: Die Grünen könnten sich nach der nächsten Delegiertenversammlung im Mai hinter das Referendum stellen, wie Nationalrat und Fraktionspräsident Balthasar Glättli (46) sagt: «Ich denke, dass die Delegierten das klar befürworten werden.» Bei der SP stellt man sich hingegen immer noch quer. Zu gross ist die Angst vor einer herben Niederlage, die die Überwachungen zusätzlich legitimieren würden. Ausserdem warnte SP-Präsident Christian Levrat (47) im BLICK-Interview davor, der SVP eine zusätzliche Plattform zu geben, um den Sozialhilfemissbrauch zu thematisieren.
Da ist Glättli nicht einverstanden: «Cheftaktiker Christian Levrat liegt falsch, und das sehen auch namhafte SP-Politiker so. Mit der Unterstützung des Referendums spielt man nicht einfach der SVP in die Hände.» Die bearbeite das Thema seit Jahren so oder so. Doch nun biete sich die Chance, dagegen anzugehen. Ausserdem: «Wenn über zehntausend Leute sich auch finanziell an einer Kampagne gegen Versicherungsschnüffler beteiligen, kann man eine sichtbare Kampagne machen.»
Das Komitee hat nun bis am 5. Juli Zeit, die nötigen 50'000 Unterschriften zu sammeln. Schon im November könnte sich das Stimmvolk zu den Versicherungsschnüfflern äussern.