«Perfekt präparierte Pisten, traumhafte Panoramen und ein Snowpark, der nichts zu wünschen übrig lässt» – mit diesen Worten warb das Skigebiet Hoch-Ybrig SZ am Samstagmorgen für sich. Am Tag, nachdem der Bundesrat alle Skigebiete geschlossen hatte. Am Freitag hatte die Landesregierung alle Veranstaltungen und Freizeitbeschäftigungen, an denen mehr als 100 Menschen zusammenkommen, verboten. Gesundheitsminister Alain Berset (47) hatte an der Medienkonferenz keinen Zweifel gelassen: «Das bedeutet die Schliessung für die Skigebiete.»
Diese Botschaft kam nicht überall an. So herrschte auf den Berner Pisten ein regelrechtes Durcheinander: Die Jungfraubahnen verkehrten normal und liessen die Skilifte in der Skiregion Grindelwald-Wengen und Grindelwald-First laufen. Ebenso wie Gstaad-Saanenland und Adelboden-Lenk. Die Saison beendet hatte hingegen Meiringen-Hasliberg – mit Verweis auf den Bundesratsentscheid.
Auch in der Zentralschweiz machte jeder, was er will. Neben Hoch-Ybrig war auch Engelberg-Titlis geöffnet. Und die Pilatus-Bahnen luden für den Sonntag noch zum Brunch. Sörenberg hingegen war seit Freitag geschlossen. Hoch-Ybrig hatte einfach die Kapazität der Luftseilbahn Weglosen-Seebli auf maximal 49 Personen limitiert und in den Restaurants nur 50 Personen zugelassen. Aber wie viele Menschen sich im Skigebiet aufhalten – das interessierte offenbar nicht.
«Schliessen Sie sofort!»
Am Mittag dann platzte Berset der Kragen. «Skigebiete, die heute offen sind, befinden sich in der Illegalität», polterte der Gesundheitsminister in der «Samstagsrundschau» von Radio SRF. «Ich fordere sie auf, sofort zu schliessen.» Eine weitere Missachtung des Verbots werde Konsequenzen haben, drohte der SP-Bundesrat.
Das magistrale Donnerwetter verfehlte seine Wirkung nicht. Im Laufe des frühen Nachmittags teilte eine Bergbahn nach der anderen mit, dass sie den Betrieb einstellt. Entweder noch am Samstag oder allerspätestens auf den Sonntag. So schrieben etwa die Jungfraubahnen, dass die das berühmte Jungfraujoch schliessen würden. Voraussichtlich bis Ende April wird dort oben Stille herrschen.
Furor in Graubünden und dem Wallis
Mit seinem Durchgreifen stellte Berset den Frieden zwischen den Kantonen wieder her. Denn Graubünden und das Wallis hatten noch am Freitag alle Skigebiete geschlossen – und waren entsprechend hässig, als sie erfuhren, dass der Kanton Bern und die Zentralschweiz den Entscheid den Destinationen überlassen hatte.
In Chur und Sion wurden deswegen die Regierungsräte von Bergbahnen und Touristikern bestürmt. Diese wollten wissen, warum sie sich ein gutes Geschäft entgehen lassen müssten, während andere weiterhin Kasse machen.
Arosa muss Gäste vertrösten
Auch dem Aroser Kurdirektor Pasal Jenny (45) lüpfte es den Hut, als er erfuhr, dass andere Skigebiete im Berner Oberland und in der Innerschweiz noch geöffnet haben. Während Arosa Einnahmen von mehreren zehntausend Franken entgingen. «In der aktuellen Situation steht das Geld nicht im Zentrum, dennoch werden wir jetzt bestraft, weil wir uns ans Recht halten. Das kann es ja nicht sein!», schimpfte er.
Wobei: Auch der Kanton Graubünden spielte am Freitag eine unglückliche Rolle. Bis am Abend hiess es, dass die Lifte ab Montag stillstehen müssen – worauf etwa Arosa den zahlreich anfragenden Gästen sagte, dass das Wochenende noch gefahren werden könne.
Gegen 21.30 Uhr dann kam der Sofort-Stopp vom Krisenstab in Chur – zu spät, um noch zu reagieren. Weswegen sich Jenny und seine Mitarbeiter am Samstag Morgen an die Strasse vor der Ausfahrt vom Bergdorf stellten, um den anreisenden Gästen zumindest Schoggibären, Arosa-Wasser und Sommerprospekte in die Hand zu drücken. «Natürlich haben sich die Gäste darüber gefreut. Eine echte Entschädigung für den Frust ist es aber nicht.»
Berner Regierungschef Ammann zerknirscht
Der Berner Regierungspräsident Christoph Ammann (51) gab sich nach dem Rüffel seines SP-Genossen Berset zerknirscht und bedauerte die «Irritationen». BLICK weiss: Der kantonale Gesundheitsdirektor Pierre-Alain Schnegg (57, SVP) wollte die Skigebiete schon am Freitag schliessen – die Hygieneregeln liessen sich weder in den Bahnen noch beim Après-Ski einhalten. Doch SP-Mann Ammann wollte davon nichts wissen, und Schnegg brachte keine Mehrheit für seine Position zusammen.
Dabei ist die Verordnung des Bundesrats eigentlich klar. Veranstaltungen, bei denen sich gleichzeitig 100 oder mehr Personen aufhalten, sind verboten. Bei allem, was darunter liegt, muss sichergestellt sein, dass Leute, die krank sind oder sich so fühlen, ausgeschlossen werden können. Risikogruppen müssen geschützt werden und es muss sichergestellt sein, dass die Hygienemassnahmen wie Handdesinfektion durchgeführt werden können. «Das», so der Bundesrat, «gilt auch für Freizeitbetriebe wie Museen, Sportzentren, Schwimmbäder oder Skigebiete».
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