Sie gilt als eine der Favoriten im Rennen um die Nachfolge von Bundesrätin Doris Leuthard (55): die Walliser CVP-Nationalrätin Viola Amherd (56). Im unübersichtlichen Kandidatenfeld der Christlichdemokraten sticht die Anwältin mit ihrer langjährigen Exekutiverfahrung – sie war 20 Jahre in der Regierung von Brig-Glis – hervor.
Doch nun droht die Oberwalliserin auf der Zielgerade zur Bundesratsnomination ins Straucheln zu geraten. Der Stolperstein: ein Gerichtsverfahren, das gegen Amherd läuft.
Streit um Mietvertrag
Publik gemacht hat den Fall heute der «Walliser Bote». Wie die Zeitung berichtet, wurde Amherd – beziehungsweise die Erbgemeinschaft, die sie juristisch vertritt – im Mai dieses Jahres erstinstanzlich verurteilt. Es geht um einen Streit um angeblich zu viel einkassierte Miete. Über 250'000 Franken schulden Amherd und ihre Schwester laut dem Bezirksgericht der Alpiq InTec, einer Tochter des Energiekonzerns Alpiq. Hinzu kommen Gerichtskosten und eine Parteienentschädigung in der Höhe von über 35'000 Franken.
Das besagte Mietverhältnis geht zurück auf Vater Albert Amherd. Er hatte 1985 einen Mietvertrag mit seiner eigenen Elektro-Firma geschlossen. Es ging um mehrere Immobilien unter anderem in Glis und Lax, wie der «Walliser Bote» berichtet. Die Firma wurde später von einem grösseren Unternehmen geschluckt, dieses wiederum ging schliesslich an die Alpiq. Das Mietverhältnis blieb in all den Jahren bestehen; knapp 5100 Franken, später gut 7000 Franken flossen dafür jeden Monat aufs Konto der Familie Amherd.
Nun ist ein Streit um diesen Betrag entbrannt. Laut der Alpiq InTec – und auch laut dem Bezirksgericht – haben die Amherds über Jahre viel zu viel einkassiert. Sie berufen sich auf einen neuen Mietvertrag, der 2005 aufgesetzt worden sei und denjenigen aus dem 80ern ersetze. In ihm ist mit rund 4300 Franken eine viel tiefere Monatsmiete festgesetzt.
Amherd hingegen stellt sich auf den Standpunkt, dass es nie zu einem neuen Vertragsabschluss gekommen sei. Der alte Vertrag gelte nach wie vor.
Erst 2014 bemerkte die Firma den Fehler
Bemerkt wurde die Unstimmigkeit erst 2014. Bis dahin war den Buchhaltern der Alpiq InTec nicht aufgefallen, dass sie jahrelang Monat für Monat aus ihrer Sicht viel zu viel bezahlen. Der Grund sei, dass es just um die Zeit der angeblichen Vertragsänderung zu einem Personalwechsel kam. Und später ging der Betrag im Rechnungswirrwarr unter.
Für das Gericht ist die Sache klar: Amherd haben sich jahrelang zu Unrecht an den Mieteinnahmen bereichert. Ihr Verhalten lasse keinen anderen Schluss zu, «als dass ab 1. Januar 2006 ein neuer Mietvertrag galt», so das Urteil.
Amherd streitet alles ab
Auf Anfrage von BLICK bestreitet die Nationalrätin und mögliche Bundesratskandidatin diese Darstellung. «Wir sind mit der Sichtweise des Gerichts in keiner Weise einverstanden. Aus unserer Sicht ist kein neuer Mietvertrag zustande gekommen.» So habe sie selbst den Vertrag nie unterschrieben, nur ein Beiblatt, argumentierte sie vor Gericht. Und es sei fraglich, ob diejenigen, die für die Mieterseite unterschrieben hätten, überhaupt zeichnungsberechtigt gewesen seien.
Zudem wirft sie den Justizbehörden vor, gewisse Beweismaterialien rechtswidrig beschafft zu haben. Gewisse Aussagen von ihr dürften nicht berücksichtigt werden, weil sie diese als Anwältin und im Vertrauen gemacht habe. Es geht dabei unter anderem um ein Gespräch mit Alpiq InTec im Jahr 2014, in dem sie laut Gerichtsurteil noch gesagt haben soll, den zu viel einkassierten Betrag sofort zurückzuzahlen.
Der Zeitpunkt macht Amherd stutzig
Amherd betont, dass es das Recht einer Erbengemeinschaft sei, vor Gericht ihre Interessen zu vertreten. «Es handelt sich um ein Zivil- und kein Strafverfahren. Weder Drittparteien noch die öffentliche Hand kommen zu Schaden. Zudem ist noch kein definitives Urteil gefallen», sagt sie. Als Nächstes hat das Kantonsgericht über den Fall zu entscheiden.
Dass der Mietknatsch ausgerechnet jetzt für Aufmerksamkeit sorgt – mehrere Monate nach Fällen des Urteils, macht Amherd stutzig. Eine politische Intrige? Der Zeitpunkt sei schon «eigenartig», sagt Amherd, um diplomatische Zurückhaltung bemüht. «Es ist schon erstaunlich, dass die Sache gerade jetzt so ausgebreitet wird.»
«Ich habe nichts zu verstecken»
Auf eine mögliche Bundesratskandidatur habe das Urteil aus ihrer Sicht aber keinen Einfluss. «Ich überlege mir eine allfällige Kandidatur», lautet weiterhin die offizielle Sprachregelung der Walliserin. Der Artikel im «Walliser Boten» werde in ihren Überlegungen «nicht die entscheidende Rolle spielen». «Die Sache hat mit dem politischen Mandat aus meiner Sicht überhaupt nichts zu tun – auch nicht mit einem möglichen künftigen Bundesratsmandat.»
Auch die CVP Wallis sieht das offenbar so. «Die Partei hat heute schon mit mir Kontakt aufgenommen und mir ihre volle Unterstützung zugesagt», sagt Amherd. Sie werde mit der Parteileitung ganz sicher über den Gerichtsfall sprechen. Zudem werde sie natürlich auch der Findungskommission gegenüber reinen Tisch machen, sollte sie tatsächlich kandidieren. «Ich bin für totale Offenheit», sagt Amherd mit Nachdruck. «Ich habe überhaupt nichts zu verstecken.»
Unterstützung für Amherd aus der SP
Ausgerechnet die Alpiq, welche ihre Wasserzinse nicht bezahlen wolle, führe einen Prozess gegen die Geschwister Amherd, sagt die Präsidentin der SP Oberwallis, Doris Schmidhalter-Näfen. Diese «Feinde des Wallis» würden glauben, sie hätten während neun Jahren zu viel Miete bezahlt. «Wer das glaubt, glaubt auch an den Osterhasen – oder hat nicht alle Tassen im Schrank.»
Amherd habe Chancen, Bundesrätin zu werden, so Schmidhalter-Näfen weiter und weibelt offen für sie. «Auch wenn ich das Heu politisch nicht auf der gleichen Bühne habe wie sie, freut mich das; ebenso alle einigermassen offenen Oberwalliserinnen und Oberwalliser. Sie ist eine von uns. Sie würde es eher besser machen, als die zur Diskussion stehenden Männer.»