Bundesrat Guy Parmelin zum Angriff auf Syrien
«Man hätte Untersuchung abwarten können»

Nach den Luftschlägen der Alliierten auf vermutete Chemiewaffenanlagen in Syrien nimmt Verteidigungsminister Guy Parmelin (58) Stellung. Der SVP-Bundesrat glaubt, dass die USA und ihre Verbündeten sich hätten gedulden können, bis die Beweise für die Verbrechen des syrischen Machthabers Assad erbracht gewesen wären.
Publiziert: 14.04.2018 um 18:49 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:22 Uhr
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Bundesrat Guy Parmelin meint, dass die westlichen Militärmächte USA, Frankreich und Grossbritannien Untersuchungsergebnisse hätten abwarten sollen.
Foto: Keystone
Interview: Simon Marti und Marcel Odermatt

Herr Bundesrat, in der Nacht auf Samstag haben die USA, Frankreich und Grossbritannien Ziele in Syrien angegriffen, mit der Absicht, das Chemiewaffen-Programm des Landes zu zerstören. Wie beurteilen Sie die Lage, kurz nach diesem Einsatz?
Guy Parmelin:
Die Spannung ist hoch. Das beunruhigt mich und den gesamten Bundesrat. So eine Lage kann rasch ausser Kontrolle geraten. Der Bundesrat appelliert an alle Parteien: Kehrt zurück an den Verhandlungstisch. Der Krieg in Syrien war Thema von Gesprächen in Genf. Diese Gespräche müssen weitergehen. So rasch wie möglich. Die Zivilbevölkerung leidet. Das ist inakzeptabel. 

Die Bevölkerung leidet ja gerade unter den Angriffen des Regimes von Bashar al-Assad. 
Dass chemische Waffen eingesetzt werden, kann die Weltgemeinschaft nicht akzeptieren. Das müssen wir auch deutlich machen. Die Schweiz ist bereit, sich zu engagieren, damit die Verhandlungen fortgesetzt werden und der Zerstörung ein Ende bereitet wird.

In Syrien tobt der Krieg nun schon seit sieben Jahren. Eine Verhandlungslösung, die Sie ansprechen, kam nie zustande. Der Angriff der Alliierten erfolgte nun aufgrund eben eines solchen Angriffs mit Chemiewaffen. Halten Sie das Eingreifen vor diesem Hintergrund für gerechtfertigt?
Wie gesagt, der Einsatz solcher Waffen ist inakzeptabel. Aber man muss klar sagen: Es gibt eine internationale Mission der Uno, welche die chemischen Waffen in Syrien überprüft. Es ist diese Mission, welche nun vor Ort eine Untersuchung durchführen muss. Man muss extrem vorsichtig sein, bevor man endgültige Urteile fällt. Die Experten sollen nun ihre Arbeit machen. Diese Regeln, die sich die Weltgemeinschaft selbst gegeben hat, gilt es eben auch zu akzeptieren. Tut man dies nicht, fällt es auf einen zurück.

Dann war der Angriff aus dem Westen also vorschnell?
Wir fordern, dass alle Seiten ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen einhalten. Die Uno hat die Experten für chemische Waffen dorthin geschickt, um ihre Untersuchung zum möglichen Giftgasangriff durchzuführen. Diese Mission ist in der Lage festzustellen, ob beziehungsweise welche Chemiewaffen eingesetzt wurden. Ihre Ergebnisse hätte man abwarten können.

Was haben Sie gedacht, als Sie die Bilder der Opfer gesehen haben?
Das ist immer schrecklich.

Wie wird sich der Konflikt weiterentwickeln? Gerade mit Blick auf Russland, das sich ohnehin auf Konfrontationskurs mit dem Westen befindet.
Schauen Sie sich die globale Lage an: Wir haben die Situation in der Ostukraine, wir haben Konflikte in Nahost und in Asien. Die globale Lage ist so angespannt, wie seit Jahren nicht mehr. Für Europa, für die Welt heisst das: Wir müssen aufpassen. Ich weiss, die grossen Mächte stehen in Kontakt miteinander. Aber niemand kann eine unvorhergesehene Eskalation ausschliessen. Das ist ja das Gefährliche.

Wie verändert das Ihre Arbeit als Verteidigungsminister? 
Ich muss antizipieren. Der Nachrichtendienst ist zentral. Das ist unsere Prävention. Für die Armee stelle ich fest: Die Verteidigungsbudgets in Europa wachsen. Schweden beispielsweise, hat die Wehrpflicht wieder eingeführt. Wir haben unsere Armeereform zum Glück schon aufgegleist. Aber das erfordert Mittel. Wir haben nicht genug Geld, um alles zu machen, was aus meiner Sicht notwendig wäre. Aber es geht darum, einen gewissen Minimalstandard zu gewährleisten. Den Bürgern und der Politik ist klar: Die Situation ist heute eine komplett andere als noch vor wenigen Jahren. Die Armee ist dazu da, die Bevölkerung zu schützen. Wenn etwas passiert, will ich nicht, dass es heisst: Warum wart ihr nicht vorbereitet?

Sie haben den Nachrichtendienst (NDB) angesprochen. Die Schweiz wurde in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Opfer von Cyberattacken. Wie wollen Sie diese unterbinden?
Das betrifft nicht nur die Schweiz, sondern alle Länder. Ich kommentiere keine konkreten Fälle. Aber ja: Die Schweiz ist ein Ziel. Wir müssen bereit sein, unsere kritische Infrastruktur zu verteidigen. Die nationale Strategie ist aber Sache des Finanzdepartements.

Der NDB aber zeigt sich über russische Cyberattacken im Februar und März besorgt. Wie reagiert man darauf?
Ich kann nur sagen, dass der Bundesrat alles tut, um uns zu verteidigen. Wenn wir Attacken feststellen, reagieren wir. Aber sicher nicht öffentlich. 

Immerhin haben Sie kürzlich gesagt, dass jeder vierte ausländische Diplomat in der Schweiz ein Spion sei.
Ganz so habe ich das nicht gesagt (lacht)! Schon die Frage, wann jemand ein Spion ist, lässt sich nicht einfach beantworten. Verstösst jemand in der Schweiz gegen unsere Gesetze, bekämpfen wir das.

Überlegt der Bundesrat auch, solche Diplomaten auszuweisen?
Das ist eine Möglichkeit. Es gibt andere, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

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