Wie stark soll die Schweiz die CO₂-Emmissionen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten senken? Die Justiz soll diesen politischen Dauerbrenner lösen.
Deshalb machen 459 Frauen im AHV-Alter mobil – darunter Prominente wie die ehemalige Zürcher Stadträtin Monika Stocker, Alt-SP-Präsidentin Christiane Brunner oder Judith Giovannelli-Blocher, die Schwester von SVP-Übervater Christoph Blocher. Sie verklagen den Gesamtbundesrat. Weil die Klimaerwärmung zu krassen Hitzetagen führen werde – und dies insbesondere für Seniorinnen gefährlich werden könne.
Die 150-seitige Beschwerdeschrift, die heute Morgen eingereicht worden ist, listet Unterlassungen im Klimaschutz auf. Die Seniorinnen stören sich am bundesrätlichen Reduktionsziel des CO₂-Ausstosses von 20 Prozent im Vergleich zu 1990. Dieses sei zu tief für die Begrenzung der Klimaerwärmung auf maximal 2 Grad.
«Die Reduktion müsste gemäss unbestrittener wissenschaftlichen Analysen mindestens 25% bis 40% betragen», so der Verein auf der Webseite. Die verpassten Reduktionen könnten später kaum mehr nachgeholt werden.
Kampf für nächste Generationen
«Weil eine Erwärmung von mehr als 2 Grad mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer gefährlichen anthropogenen Störung des Klimasystems führt, verletzt der Bund mit seinem derzeitigen Klimaziel die Bundesverfassung (Vorsorgeprinzip und Recht auf Leben) und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)», so die Frauen.
Eine prominente Kämpferin gegen die zuständige Umweltministerin Doris Leuthard (CVP) und ihre Bundesratskollegen ist Judith Giovannelli-Blocher die Schwester von Christoph Blocher.
Sie sagte im Sommer bei der Vereinsgründung zu BLICK: «Mir geht es nicht um meine Betroffenheit. Ich bin 84-jährig und weiss ja nicht, ob ich noch lebe, wenn es dann zu einem Gerichtsentscheid kommt. Ich kämpfe vor allem für die, die nach mir kommen.»
Ob die juristische Vorgehen Chance auf Erfolg hat, ist laut Experten unmöglich vorherzusagen. Es ist die erste Beschwerde dieser Art in der Schweiz; vergleichbare Fälle gibt es keine.
In Europa allerdings schon. Ein niederländisches Gericht hat diesen Sommer entschieden, dass die ungenügenden niederländischen Klimaziele gegen die Menschenrechte verstossen. Die Richter haben die Regierung zu mehr Klimaschutz verpflichtet. Der Fall wurde an die nächste Instanz weitergezogen, das Urteil ist also (noch) nicht gültig.