Auf demokratischem Weg hat die SVP im Oktober fast 30 Prozent der Wählerstimmen erhalten. Und im Dezember einen zweiten Bundesrat bekommen – ebenfalls in einer demokratischen Wahl. Auch gewinnt die Volkspartei immer wieder direktdemokratische Abstimmungen.
Doch für SVP-Übervater Christoph Blocher ist die Schweiz ein totalitärer Staat. «Bundesbern hat den Weg in die Diktatur angetreten. Wir stehen vor einem stillen Staatsstreich», sagt er heute Abend gemäss dem Manuskript seiner Rede an der traditionellen Albisgüetli-Tagung in Zürich.
Wie kommt Blocher darauf, das demokratische Musterland Schweiz als Diktatur zu bezeichnen?
Bundesrat und Parlament würden Volksentscheide – etwa die Ausschaffungsinitiative – nicht umsetzen, so der 75-Jährige. «Für Verwaltung, Regierung und Parlamentsmehrheit ist die Missachtung des Volkswillens zum Programm geworden.» Was Blocher verschweigt: die Ausschaffungsinitiative wird umgesetzt – unter Berücksichtigung der demokratisch legitimierten Bundesverfassung.
Doch laut dem abtretenden SVP-Vize haben nicht nur der Bundesrat (mit zwei SVP-Vertretern) und der Nationalrat (mit 30 Prozent SVP-Vertretern) diktatorische Züge, sondern vor allem die Richter. Diese würden sich «mit Verweis auf internationales Recht über den schweizerischen Gesetzgeber erheben». Blocher will deshalb, dass alle Bundesrichter künftig vor Gott schwören oder geloben müssen, die Verfassung zu beachten.
Doch damit nicht genug totalitäre Vorwürfe: Auch Wissenschaftler, vor allem Geisteswissenschaftler, seien «pseudowissenschaftliche Diktatoren». Und selbstverständlich auch die Frauen, die «mit Handtäschchen und Lippenstift als Diktatorinnen» daher kämen.
Einzige Ausnahme der totalitären Schweiz ist laut Blocher die SVP «als Verteidigerin der Volksrechte».
Die schriftliche Rede im Wortlaut finden Sie hier: Blocher-Rede-Albisgüetli.pdf