Observant oder Privatermittler heissen die Spezialisten im Fachjargon. Sozialversicherungsdetektive, Versicherungsspione oder schlicht Schnüffler nennt sie das Volk. Bis im Sommer 2017 spionierten sie im Auftrag von Sozialversicherungen Personen aus – bis die Strassburger Richter sie stoppten. Gibt es am 25. November ein Ja zum neuen Observationsartikel, dürfen sie ihre diskrete Arbeit bald wieder aufnehmen.
Wie Versicherungsdetektive konkret arbeiten und was ihre Einsätze kosten, weiss jedoch kaum jemand. BLICK liegt nun exklusiv das anonymisierte Protokoll einer Observation samt detaillierter Kostenabrechnung vor.
IV rechnet nur mit der 1. Säule
Diese vertraulichen Dokumente zeigen: Eine IV-Stelle hat für einen Privatdetektiv, der eine Person observierte, 10'340.45 Franken ausgegeben und damit rund eine Million Franken gespart. Die versicherte Person im Alter von 28 Jahren bezog eine Rente von monatlich 2320 Franken plus Kinderrenten. Sollte die Person nicht schon vorher keine IV mehr erhalten, müsste die IV, hochgerechnet auf eine Laufzeit von knapp 40 Jahren, bis zum Erreichen des AHV-Alters eine Million Franken zahlen.
«Diese Einsparung entsteht nur bei der 1. Säule», heisst es in den Unterlagen. Zusätzlich seien auch noch Leistungen der 2. Säule (BVG) ausgerichtet worden, die ebenfalls eingestellt werden konnten. Eine allfällige Hilflosenentschädigung wurde nicht eingerechnet.
38 Stunden Schnüffeln, 9 Stunden Büroarbeit
Interessant ist auch das detaillierte Observationstagebuch. Es beschreibt Aktivitäten über vier volle Monate. Zu Beginn sind es eine Auftragsanalyse und das Rekognoszieren am Wohnort, Vorbereitungsarbeiten also. Die Observation selbst macht 38 Stunden aus. Zehn Einsätze. Hin- und Rückweg des Detektivs nicht eingerechnet.
Kurzobservationen umfassen zwischen einer und dreieinhalb Stunden. Zwei Mal heftet sich der Schnüffler mehr als neun Stunden an die Fersen der verdächtigen Person. Zu ganz unterschiedlichen Tageszeiten. Auffällig sind die langen Autostrecken: Mehrfach fährt der Detektiv weit über 200 Kilometer.
Dazu kommen total fast neun Stunden reine Büroarbeit: Observationsbericht, Videobericht und Fotoblätter wollen produziert werden – das Schreiben der Rechnung darf ebenfalls nicht vergessen gehen.
Technische Mittel sind nicht explizit aufgeführt: In der Rechnung stehen schlicht 100 Franken für «Einsatz Technik», auf eine Drohne oder Ähnliches deutet nichts.
Das Abstimmungsbüchlein des Bundes zum Versicherten-Überwachungsgesetz wird wie geplant verschickt. Das Bundesgericht hat einen Antrag des Referendumskomitees abgewiesen, das den Versand stoppen wollte. Dieses hatte argumentiert, dass die Behörden tendenziös kommunizierten und Spekulationen verbreiten würden. Tatsächlich beinhaltet das Büchlein falsche Zahlen (BLICK berichtete).
Das Bundesgericht hält einen Versandstopp für ungerechtfertigt, da das Büchlein auch zwei weitere Vorlagen behandle. Inhaltlich hat das Bundesgericht aber noch nicht über die Beschwerde entschieden. Es weist darauf hin, die Abstimmung könne nachträglich aufgehoben werden. Dies wäre möglich, wenn die Vorlage auf der Grundlage irreführender Informationen durchgeführt und angenommen würde. Die Vorlage kommt am 25. November vors Volk.
Das Abstimmungsbüchlein des Bundes zum Versicherten-Überwachungsgesetz wird wie geplant verschickt. Das Bundesgericht hat einen Antrag des Referendumskomitees abgewiesen, das den Versand stoppen wollte. Dieses hatte argumentiert, dass die Behörden tendenziös kommunizierten und Spekulationen verbreiten würden. Tatsächlich beinhaltet das Büchlein falsche Zahlen (BLICK berichtete).
Das Bundesgericht hält einen Versandstopp für ungerechtfertigt, da das Büchlein auch zwei weitere Vorlagen behandle. Inhaltlich hat das Bundesgericht aber noch nicht über die Beschwerde entschieden. Es weist darauf hin, die Abstimmung könne nachträglich aufgehoben werden. Dies wäre möglich, wenn die Vorlage auf der Grundlage irreführender Informationen durchgeführt und angenommen würde. Die Vorlage kommt am 25. November vors Volk.
Die Stundenansätze betragen für eine Kurzzeitobservation 130 Franken, bei einem Langzeiteinsatz 110 Franken – wobei dann auch Mehrkosten für Auswärtsverpflegung anfallen. Der Autokilometer schlägt mit 1.10 Franken zu Buche, ein Samstagseinsatz führt zu einem 20-Prozent-Zuschlag. Insgesamt kostet die ganze Detektivarbeit exakt 10'340.45 Franken inklusive 8 Prozent Mehrwertsteuer.
Videos und Bilder reichten, dass die Rente weg war
Und was hat der Detektiv herausgefunden? Die versicherte Person erlitt mit 28 Jahren ein «Knalltrauma». Mediziner verstehen darunter die Schädigung des Gehörorgans durch einen kurzen, sehr starken Schall. Die gesundheitlichen Folgen in diesem Fall: extreme Lärmempfindlichkeit, Schwankschwindel, fehlende Konzentration, Alltagsvergesslichkeit, schwere Depression und praktisch kompletter sozialer Rückzug. Den öffentlichen Verkehr zu benutzen, ja selbst Kontakte innerhalb der Familie – unmöglich!
Diese psychischen Auffälligkeiten, die für «keinen Arbeitgeber mehr zumutbar» sind, bestätigte der behandelnde Psychiater bei zwei zusätzlichen Checks. Bei der IV-Stelle kam dennoch der Verdacht auf, dass der Rentenbezug auf Falschangaben zum Gesundheitszustand und Sozialverhalten basiert. Daher gab die Behörde eine Observation in Auftrag.
Der Sozialdetektiv fand heraus, dass die versicherte Person regelmässig selbständig Auto fahren kann, mehrmals längere Strecken über 140 Kilometer, aber auch in dichtem Morgenverkehr – ohne Anzeichen von Konzentrationsstörungen.
Der Privatermittler lieferte dazu Videos und Bilder ab. Die Lärmempfindlichkeit des IV-Rentners bestätigte sich darin keineswegs, auch in Umgebung von vielen Leuten und lärmigem Strassenverkehr bewegte sich die observierte Person problemlos. Sogar Fussballspiele mit regem sozialen Kontakt waren ihm möglich.
Schlussendlich wurde darum die ganze IV-Rente rückwirkend aufgehoben.
Die Firma Coprin AG aus Effretikon ZH bereitet sich auf ein Ja am 25. November vor. In einem Stelleninserat sucht sie einen Detektiv. Sie verlangt für den Observanten beziehungsweise Einsatzleiter Observation eine Polizeiausbildung sowie Praxiserfahrung. Bewerber müssen zudem «motiviert, zielorientiert, belastbar, flexibel» sein und über einen tadellosen Leumund verfügen. Auch gute Deutschkenntnisse und Diskretion werden für den Job vorausgesetzt.
Der Bund stellt in seiner Verordnung zu den Sozialdetektiven, die er schon vor der Abstimmung veröffentlicht hat, weitere hohe Ansprüche. So müssen die Privatermittler Rechtskenntnisse für die einwandfreie Auftragsausführung sowie mindestens zwei Jahre Berufserfahrung in der Personenüberwachung besitzen. (awi)
Die Firma Coprin AG aus Effretikon ZH bereitet sich auf ein Ja am 25. November vor. In einem Stelleninserat sucht sie einen Detektiv. Sie verlangt für den Observanten beziehungsweise Einsatzleiter Observation eine Polizeiausbildung sowie Praxiserfahrung. Bewerber müssen zudem «motiviert, zielorientiert, belastbar, flexibel» sein und über einen tadellosen Leumund verfügen. Auch gute Deutschkenntnisse und Diskretion werden für den Job vorausgesetzt.
Der Bund stellt in seiner Verordnung zu den Sozialdetektiven, die er schon vor der Abstimmung veröffentlicht hat, weitere hohe Ansprüche. So müssen die Privatermittler Rechtskenntnisse für die einwandfreie Auftragsausführung sowie mindestens zwei Jahre Berufserfahrung in der Personenüberwachung besitzen. (awi)