BLICK-Kolumnist Claude Cueni über die fatalen Folgen von Denkverboten
Keine Nobelpreise für Haram

Arabische Wissenschaftler waren einst Weltspitze. Damals war der Islam noch weltoffen und tolerant. Denkverbote behindern den Fortschritt – das gilt heute auch im freien Westen. Die neue Kolumne «Geschichte» von Claude Cueni.
Publiziert: 23.02.2018 um 22:35 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:55 Uhr
Foto: Laurence Brun/Rapho/Laif
Claude Cueni

Nein, Sie werden keinen Nobelpreis erhalten. Die Frist für Nominierungen ist im Januar abgelaufen. Der Begründer, Alfred Nobel (1833–1896), Sohn eines Rüstungsfabrikanten, war ein schwedischer Chemiker und Erfinder. Sein jüngerer Bruder Emil starb zusammen mit vier anderen Mitarbeitern bei einem Experiment mit seinem Nitroglycerin.

Claude Cueni (62) ist ­Schriftsteller und lebt in Basel. Sein neuer Roman «Der Mann, der Glück brachte» erscheint im März. Cueni schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.
Foto: Thomas Buchwalder

Sein grösster Coup gelang ihm jedoch mit dem Ballistit, einem raucharmen Pulver, das Schusstechnik und Kriegsführung revolutionierte. Alfred Nobel starb, nachdem er 355 Patente angemeldet und 90 Sprengstoff-Fabriken gebaut hatte. Er hinterliess ein enormes Vermögen, mit dem seit 1901 die Nobelpreise finanziert werden.

In den folgenden 115 Jahren haben gerade mal zwei muslimische Wissenschaftler in den Königsdisziplinen Medizin, Physik und Chemie eine Auszeichnung erhalten. Im gleichen Zeitraum kommt die Schweiz für die gleichen Fachgebiete auf 23 Nobelpreise. Wieso ist das so?

Wissen von gestern

Vor rund 1000 Jahren hätten arabische Wissenschaftler noch alles abgeräumt. Das war die Blütezeit des weltoffenen und toleranten Islams, und Bagdad war das Zentrum von Wissenschaft und Forschung.

Aber mit dem Aufkommen des Wahhabismus setzte sich die Doktrin durch, wonach alles Wissen schon im Koran angelegt ist und die Wissenschaft sich danach richten muss. Wie soll man da Nützliches für das 21. Jahrhundert entwickeln? Das Prinzip der Wissenschaft ist ja gerade, dass man unabhängig von seiner Weltanschauung vermeintlich gesichertes Wissen immer wieder hinterfragt.

Die Freiheit, die Orwell meint 

Eine Gesellschaft, die auf den weiblichen Teil der Bevölkerung verzichtet und nur zwischen halal und haram (erlaubt oder nicht erlaubt) unterscheidet, verharrt in ewiger Stagnation, weil die Voraussetzungen für Innovationen fehlen.

Das Prinzip der Wissenschaft ist auch in der politischen Diskussion unentbehrlich. Man tut der Gesellschaft keinen Gefallen, wenn man Kritiker reflexartig mit orchestrierten Empörungsritualen einschüchtert. Political Correctness ist heute das Halal-Haram des freien Westens, das Gegenteil von Aufklärung.

Aber Denkverbote lösen keine Probleme. George Orwell sagte: «Freiheit bedeutet Dinge zu sagen, die andere nicht hören wollen.» Leider gibts für kluge Zitate keinen Nobelpreis.

Claude Cueni (62) ist ­Schriftsteller und lebt in Basel. Sein neuer Roman «Der Mann, der Glück brachte» erscheint im März. Cueni schreibt alle zwei Wochen im BLICK.

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