Am Samstag vor einer Woche öffnete das Bundesasylzentrum in Boudry NE seine Tore für die Bevölkerung. Mittendrin: Bundesrätin Simonetta Sommaruga (58). «Es ist eine Freude, hier zu sein, in einem Kanton, der bekannt ist für seinen Geist der Gastfreundschaft und Offenheit.»
Boudry ist für Sommaruga wichtig. Es ist ein Pilotbetrieb, hier wird seit Monaten die Umsetzung des neuen Asylsystems getestet. Alle an den Verfahren beteiligten Akteure arbeiten unter einem Dach zusammen. Das Ziel: eine deutlich schnellere Abwicklung.
Am 1. März 2019 soll das beschleunigte Asylverfahren schweizweit eingeführt werden. Um sicherzustellen, dass es trotz kürzerer Fristen fair und nicht willkürlich abläuft, wird der Rechtsschutz ausgebaut. Jedem Asylsuchenden soll von Anfang an ein Rechtsvertreter zur Verfügung stehen – kostenlos.
«Die grösste Neuerung»
Mario Gattiker, Chef des Staatssekretariats für Migration (SEM), in der juristischen Fachzeitschrift «Plädoyer»: «Die unentgeltliche Rechtsvertretung ist die grösste Neuerung innerhalb des beschleunigten Asylverfahrens.»
Wie viele Rechtsvertreter in den sechs geplanten Asylzentren gebraucht werden, kann das SEM nicht genau beziffern. Mediensprecher Lukas Rieder: «Die Asylgesuchseingänge sind nicht präzise vorherzusagen, deshalb kann auch der Bedarf an Mitarbeitenden der Rechtsvertretung fluktuieren.»
Allerdings gibt es Erfahrungswerte, die eine Schätzung ermöglichen. «Bei rund 24 000 Asylgesuchseingängen pro Jahr entstünde ein ungefährer Bedarf von 150 Vollzeitstellen für die Rechtsvertretung in den beschleunigten Asylverfahren und den Dublin-Verfahren.»
Das SEM muss die Rechtsvertreter nicht selbst suchen. Mitte Juni schrieb es einen entsprechenden Leistungsauftrag aus. Darin verlangt die Behörde vom künftigen Anbieter, dass er «über einen angemessenen Anteil an Personal verfügt, das über mindestens dreimonatige Erfahrung in der Beratung und Rechtsvertretung von asylsuchenden Personen verfügt.»
1361 pro Asylbewerber
Zum Beispiel die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH). Mit anderen Organisationen hat sie bereits ein Mandat für die Rechtsvertretung im anderen Pilotbetrieb in Zürich.
Pro vertretenen Asylbewerber erhält die Bietergemeinschaft unter Federführung der SFH einen Pauschalbetrag von 1361 Franken.
Peter Meier, der bei der SFH die Asylpolitik leitet, kommentiert die Zahl der rund 150 Rechtsvertreter, die für die beschleunigten Asylverfahren nötig sein werden, so: «Es ist eine Herausforderung, genügend qualifiziertes Personal zu rekrutieren.»
Schliesslich handle es sich um ein ganz neues Berufsfeld.
Um die Rechtsvertreter auf ihre Aufgabe vorzubereiten, haben die Universitäten Bern, Freiburg und Neuenburg ein Weiterbildungsangebot ausgearbeitet. Der erste deutschsprachige Kurs beginnt im November, ein französischsprachiger ist im Frühling 2019 geplant. Es pressiert: Das beschleunigte Asylverfahren gilt ab 1. März.