Am Montagmorgen lupfte es Casimir Platzer (58) mal wieder den Hut. Gut, seit dem Corona-Lockdown Mitte März empörte sich der eigentlich immer gut gelaunte Präsident von Gastrosuisse häufiger. Und als er Montag hörte, dass in Schulen ab sofort der Zwei-Meter-Abstand auch nicht mehr gilt, war es mal wieder so weit.
Platzer – oder besser gesagt die Gastrobranche – fühlt sich durch den Bundesrat schikaniert: «Es kann doch nicht sein, dass praktisch überall die Abstandsregel fällt, wir aber weiterhin weniger Gäste bewirten dürfen, weil wir zwischen den Tischen zwei Meter einhalten müssen!»
Bund soll in drei Punkten nachbessern
Wegen dieser strengen Regel würden die Beizen und Restaurants 200 Millionen Franken weniger Umsatz machen – pro Woche, sagt Platzer. Er hat daher dem Bundesrat eine Änderung der Corona-Verordnung ans Herz gelegt. Drei Punkte will er geändert haben:
- Die Zwei-Meter-Regel: Der Abstand soll nur noch «möglichst» eingehalten werden. Ist das nicht möglich, erklärt sich Gastrosuisse bereit, die Kontaktdaten von einer Person pro Tisch einzufordern. Auch, wenn am Tisch weniger als fünf Gäste sitzen. Hier vollzieht Platzer eine Kehrtwende – just gegen jene Datensammelpflicht hatte er noch vor vier Wochen lobbyiert. Und zwar erfolgreich. Der Bundesrat hob diese Pflicht für Gruppen bis zu vier Personen auf.
- Die Corona-Polizeistunde: Platzer verlangt, dass Restaurants, Bars, Clubs und Diskotheken nicht wie bisher um Mitternacht schliessen müssen. Platzer: «Glaubt irgendwer, dass die Leute dann nach Hause gehen? Nein, die Partys verlagern sich doch einfach in den öffentlichen Raum, auf Plätze oder an Seeufer. Da kontrolliert dann niemand mehr.»
- Das Stehplatzverbot: Platzer will, dass insbesondere in Bars auch Stehplätze zur Verfügung stehen.
Keine Änderung vor dem 24. Juni
Von der Verwaltung sei er allerdings vertröstet werden, sagt Platzer. Man habe ihm beschieden, dass der Bundesrat wie angekündigt am 24. Juni über weitere Lockerungen befinden werde. «Dass wir noch bis am 24. Juni warten müssen, bis der Bundesrat das Dossier wieder in die Hände nimmt und dann vermutlich Lockerungsschritte beschliesst, die ab dem 6. Juli greifen, ist inakzeptabel», sagt er. Das Beispiel der Schulen, wo quasi über Nacht die Zwei-Meter-Regel abgeschafft worden sei, zeige, dass der Bund die Regeln auch ausserhalb des starren Kalenders optimieren könne. «Wenn wir bis zum 6. Juli warten müssen, fehlt eine knappe Milliarde Franken Umsatz», klagt Platzer.
Platzer hat es seit Beginn der Krise meisterhaft verstanden, schnellere und weitergehende Lockerungen für seine Branche herauszuholen. Und auch, wenn der Meister-Lobbyist vielen in der Bundesverwaltung mit seinen Angriffen auf die Nerven geht, muss man zugeben: Dass die Anforderungen in den unterschiedlichen Bereichen nachvollziehbar und konsequent sind, kann man wirklich nicht behaupten: Warum müssen Restaurants und Bars um Mitternacht schliessen, im Casino darf aber bis 4 Uhr morgens gezockt und getrunken werden? Warum muss im Kino nur jeder zweite Platz freibleiben und ein Club gar nicht auf Abstand achten – eine Beiz aber schon?
Platzer erwartet Lösung noch diese Woche
Die Gastrobranche sei die einzige, die den Abstand noch konsequent einhalten müsse, klagt Platzer. «Die Haltung des Bundesrats, insbesondere die von Alain Berset, ist unverhältnismässig und so nicht tragbar.» Er erwarte daher, dass dies an der Bundesratssitzung vom Freitag angepasst werde. In immerhin einem Punkt hat Gesundheitsminister Berset das in Aussicht gestellt: Die Corona-Polizeistunde, sagte er am Montag im Nationalrat, soll «so bald wie möglich» aufgehoben werden.