55 Kampfjets braucht die Schweiz. Damit liesse sich der Luftpolizeidienst gewährleisten, und bei einer erhöhten Bedrohungslage könnten über mehrere Wochen permanent mindestens zwei Jets in der Luft sein. Das erklärte der Bundesrat, als es 2014 darum ging, den schwedischen Gripen zu kaufen. 22 Stück sollten es sein, um mit den damals 33 F/A-18 auf die nötigen fünf Fliegerstaffeln zu kommen.
30 Jets reichen
Drei Jahre später ist die Welt eine andere. Jedenfalls wenn man den Experten glaubt, die im Auftrag von Bundesrat Guy Parmelin die Beschaffung eines neuen Kampfjets vorbereiten. Die Experten des Verteidigungsdepartements (VBS) schlagen vier Optionen vor – von denen nur eine die bundesrätliche Vorgabe von 55 Fliegern erfüllt.
In den anderen Versionen kommt die Armee mit 40, 30 oder gar nur 20 Jets aus. Damit nicht genug: Die Begleitgruppe, ein Gremium aus Parteivertretern und Verwaltungsleuten, spricht sich mehrheitlich für die Option mit 30 Jets aus.
Zu früher Kompromiss
Bei der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG) reibt man sich verwundert die Augen: Wie kann es sein, dass 25 Jets weniger gleiche Sicherheit bieten können? Das Votum der Begleitgruppe sei «unredlich», urteilt Präsident Stefan Holenstein. «Das riecht nach einem guteidgenössischen Kompromiss – bevor der politische Prozess überhaupt begonnen hat», ärgert er sich.
30 Jets, das hätte für die Offiziere nichts mehr mit einer kampfbereiten Luftwaffe zu tun. «Damit wäre nur noch der Luftpolizeidienst möglich», warnt Holenstein. «Für eine ernsthafte Luftverteidigung, die diesen Namen verdient, braucht es sieben Staffeln, also 77 Jets.» Alles andere sei nicht glaubwürdig, weder innerhalb der Armee noch nach aussen.
Kompensation mit Lenkwaffen
Claude Meier, Chef des Armeestabs und Leiter der VBS-internen Expertengruppe, widerspricht: Durch den gezielten Ausbau der bodengestützten Luftverteidigung, die alle Varianten ebenfalls vorsehen, könne man die Leistungen von Kampfflugzeugen zum Teil kompensieren. «In einem bewaffneten Konflikt wäre die leistungsfähige, bodengestützte Luftverteidigung ein militärischer Gewinn.»
Für Holenstein geht das nicht auf. Er will mindestens 70 Jets. «Die Maximalvariante ist schlicht notwendig», so der SOG-Präsident. Doch während die 30-Jets-Option etwa 8,5 Milliarden kosten würde, schlägt die Maximalvariante mit bis zu 18 Milliarden Franken mehr als doppelt so teuer zu Buche.
Deutlich höheres Armeebudget nötig
Klar ist heute schon eines: Egal, wie viele Jets Bundesrat und Parlament kaufen wollen – mit dem aktuellen Armeebudget von fünf Milliarden pro Jahr ist das nicht zu stemmen, zumal zeitgleich auch andere Systeme ans Ende ihrer Lebensdauer gelangen. Für SOG-Chef Holenstein ist klar: Die letzte Armeereform (WEA) setze eine voll ausgerüstete Armee voraus. «Also müssen die Politiker hierfür die nötigen Finanzen sprechen.»
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Kaufen wir jetzt «Ferrari-Jets»?
Heute präsentiert eine Expertengruppe ihre Empfehlungen, wie es in Sachen Luftverteidigung weitergehen soll. Klar ist schon jetzt, dass die Beschaffung eines Kampfjets wieder zum Thema wird. Startet der Bund eine solche Übung, könnte auch der Superjet F-35 aus den USA eine Chance erhalten.
Eurofighter
Der Typhoon ist ein zweistrahliges Mehrzweckkampfflugzeug, das von Rüstungsunternehmen in Deutschland, Italien, Spanien und Grossbritannien gemeinsam entwickelt und gebaut wird. Fliegt seit dem Libyenkrieg regelmässig Kampfeinsätze über Afghanistan und im Nahen Osten. Stückpreis: 195 Millionen Franken.
Rafale
Die vom französischen Rüstungskonzern Dassault entwickelte Maschine verlor bei der letzten durchgeführten Evaluation gegen den kostengünstigeren Gripen. Dies, obschon die Franzosen versuchten, mit zusätzlichen Leistungen den teureren Preis wettzumachen. Die Rafale ist ein zweistrahliges Mehrzweckkampfflugzeug des französischen Herstellers Dassault Aviation. Es wurde fast vollständig im nationalen Alleingang entwickelt, nachdem Frankreich aus dem Eurofighter-Konsortium ausgestiegen war. Die Jets absolvierten im Libyenkrieg die ersten Kampfoperationen und stehen seither über Afghanistan im Einsatz. Stückpreis bei der Offerte 2008: 180 Millionen Franken.
F-35
Der Jet des US-amerikanischen Herstellers Lockheed Martin soll in den nächsten Jahren das wichtigste Kampfflugzeug der US-Streitkräfte werden. Mehrere Nato-Staaten haben Jets vorbestellt, darunter Grossbritannien, Italien, Norwegen, Dänemark und die Niederlande. Letztes Jahr sagte Jeff Babione, Vizepräsident von Lockheed Martin, an der Luftfahrtmesse im englischen Farnborough: «Das Schweizer Beschaffungsprogramm wird auf jeden Fall eine grosse Gelegenheit sein, um den F-35 anzubieten.» Das Kampfflugzeug kostet für die USA, die rund 2500 Maschinen beschaffen wollen, pro Stück etwa 155 Millionen Franken. Kampfeinsatz ist noch keiner bekannt.
F/A-18 E/F
Die Super Hornet ist eine weitgehende Neuentwicklung der bisherigen F/A-18, wie sie schon heute bei der Schweizer Luftwaffe im Einsatz steht. Bei der letzten Evaluation wurde Herstellerin Boeing vergeblich angefragt, ob man der Schweiz eine Offerte machen wolle. Die Super Hornet ist inzwischen auch das älteste Flugzeug in dieser Reihe. In allen Kriegen der USA seit dem 11. September kamen sie zum Einsatz. Stückpreis: 53 Millionen Franken (Offerte für Australien 2008).
Gripen
Aufgrund eines undurchsichtigen Evaluationsverfahrens, bei dem im Nachhinein die schlechten Noten der Experten an die Öffentlichkeit kamen, erlitt der schwedische Kampfjet schwere Treffer. Dadurch verlor er auch in den Augen der Schweizer Bevölkerung dermassen an Glaubwürdigkeit, dass er an der Urne durchfiel. Im Libyenkrieg kamen die Gripen der schwedischen Luftwaffe zu ihren ersten Aufklärungseinsätzen. Stückpreis in der Vorlage 2014: Rund 100 Millionen Franken.