Bei der Post funktioniert es bereits
Politiker wollen elektronisch Unterschriften sammeln

Einfach schnell per Touchscreen unterschreiben. Was bei der Post schon lange funktioniert, wollen linke und rechte Politiker möglichst bald auch für Referenden und Volksinitiativen nutzen.
Publiziert: 02.05.2018 um 09:17 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 17:11 Uhr
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Elektronische Unterschriften auf Touchscreens kennt man bisher vom Passbüro, von der Post  oder Lieferdiensten.
Foto: Keystone
Andrea Willimann

Bei der Post, bei Lieferdiensten oder auf dem Passbüro gibt es sie schon: die elektronischen Unterschriften. Mit einem Stift schreibt man auf ein Gerät mit Touchscreen – meist mit krakeligem Ergebnis. Diese Technologie wollen Politiker jetzt auch für das elektronische Unterschriftensammeln (E-Collecting) verwenden.

Dass heute politische Unterstützer online einfacher zusammenfinden, zeigt das aktuelle Beispiel des Referendums gegen das Versicherungsschnüffler-Gesetz. Rund 17'000 von 50'000 Unterschriften, die bis Anfang Juli gesammelt werden müssen, liegen schon vor.

SVP-Grüter wartet auf Antwort

Doch während IT-Welt und soziale Medien mit digitaler Demokratie üben, lässt sich der Bund Zeit. Er will zwar die Zugänglichkeit zur Demokratie ausbauen und forciert trotz Sicherheitsbedenken das E-Voting. Die Antwort auf eine Motion des Luzerner SVP-Nationalrats Franz Grüter, die den Bundesrat auffordert, die gesetzlichen Grundlagen für das E-Collecting zu schaffen, lässt aber auf sich warten.

Nationalrat Franz Grüter ist gegen das E-Voting, aber für das E-Collecting, weil seines Erachtens die Vertraulichkeit hier grösser ist: Die Unterschriften zu einem Referendum oder einer Initiative wären weiterhin erst rechtskräftig, wenn sie vom Wohnort beglaubigt sind. Hacking wäre deshalb kein Thema.
Foto: Keystone

Es vergeht Zeit, die Daniel Graf (45) von Wecollect, der bekanntesten Schweizer Unterschriftensammelplattform im Netz, reut: «Schon ein, zwei Jahre sind in der digitalen Welt eine lange Zeit.»

Es bestünden noch verschiedene Fragen, sagte Bundeskanzler Walter Thurnherr (54) am Wochenende in der NZZ zum E-Collecting. «Wie würde zum Beispiel sichergestellt, dass diese Komitees die gesammelten Daten genügend schützen, sie nicht für andere Zwecke verwenden?» Zudem könne eine gewisse Langsamkeit in einer Demokratie durchaus ein Gewinn sein. «Manchmal kann man auch zu früh aufhören, über etwas nachzudenken.»

E-Collecting erreicht die Leute zu Hause

Geht es nach den Befürwortern von E-Collecting könnten politisch Interessierte ihre Unterschriften künftig nicht nur auf Papierbögen von Sammlern abgeben, sondern auch auf Touchscreen-Geräten. Ebenso wäre dies zu Hause via Mobiltelefon oder Laptop mit Touchscreen möglich: Unterschriften könnten direkt im Netz erfolgen.

Die Sicherheitsbedenken sind beim E-Collecting viel kleiner als beim E-Voting. Die Unterschrift würde nämlich erst rechtskräftig, wenn sie vom Wohnort des Unterzeichneten beglaubigt ist. Wie bisher bräuchte es zudem den Warnhinweis, dass sich strafbar macht, wer unbefugt oder für jemand anders unterzeichnet.

Bisheriges Unterschriftensammeln im Netz geht nicht ohne Briefkasten

Bislang kann man auf Plattformen wie Wecollect nur Unterschriftenbögen herunterladen und ausdrucken. Danach gilt es, Vorname, Name und Unterschrift von Hand einzufügen, den Bogen in ein Couvert zu stecken und dieses zur Post zu bringen. «Auf dem Weg zum Briefkasten geht uns jedoch rund die Hälfte der Unterschriften verloren», sagt Daniel Graf von Wecollect. Der Gang zur Post sei für viele keine Alltagsroutine mehr.

Die Befürworter sehen im E-Collecting aber noch einen weiteren Vorteil: Es lässt sich zeitgleich Geld zusammenbetteln. «Beim Referendum gegen das Versicherungsschnüffler-Gesetz gewannen wir in einer ersten Runde 5000 Supporter, die uns versprachen, fünf bis zehn Unterschriften zu organisieren. Zudem machten wir einen Sponsorenaufruf, der die Kasse des Komitees füllt, aber auch das Engagement der Referendumsbefürworter erhöht», so Graf. Innerhalb einer Woche seien 25'000 Franken geflossen.

Geld, das Referendumskomitees brauchen, die keine Partei oder keinen Verband im Rücken haben. Denn kostenlos ist E-Collecting nicht. Nicht nur für das Programmieren und den Unterhalt der Website braucht es Mittel, sondern auch für Porto, Druck und das Beglaubigen der Unterschriften. E-Collecting ist aber auf jeden Fall viel günstiger als das Papiersystem, bei dem zwei bis drei Franken pro Unterschrift veranschlagt werden.

Daniel Graf von Wecollect glaubt nicht, dass künftig jede Guguus-Idee zur Abstimmung käme.
Foto: zvg/Eva Stucker

«Nicht jede Guguus-Idee käme zur Abstimmung»

Kritiker von E-Collecting befürchten, dass es künftig viel zu viele Referenden und Initiativen gäbe, weil das Unterschriftensammeln einfacher und der Beglaubigungsprozess schneller würde. Dies verneinen nicht einmal die Befürworter. «Aber was wäre daran so schlecht? Dann stimmen wir halt einmal zu viel ab», so SVP-Mann Grüter.

Graf hält entgegen, dass die Herausforderung, in 100 Tagen 50'000 Unterschriften für ein Referendum oder 100'000 in 18 Monaten für eine Initiative zu sammeln, ein Marathon bleibe. «Ich glaube nicht, dass künftig jede Guguus-Idee zur Abstimmung käme.»

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