Am Freitag hat der Bundesrat Veranstaltungen mit über 100 Personen verboten, Schulen geschlossen und Grenzübertritte eingeschränkt. Kommen diese Massnahmen angesichts der vielen Infizierten nicht zu spät?
Daniel Koch*: Nein, ich denke nicht. Wann der richtige Zeitpunkt ist, lässt sich nicht allein aufgrund der epidemiologischen Kurven berechnen. Denn die Anzahl Erkrankter ist nicht das einzige Kriterium, das wir bei unseren Entscheiden berücksichtigen müssen.
Sondern?
Wir müssen uns auch überlegen, welche Massnahmen die Bevölkerung akzeptieren wird. Reagiert man zu früh, setzen die Leute die Massnahmen nicht um, weil sie den Sinn dahinter nicht sehen. Das ist das menschliche Wesen. Es braucht Motivation, um etwas zu machen. Deshalb ist das Timing wichtig.
Allerdings hat sich im Laufe dieser Woche zunehmend Unmut ausgebreitet: Viele Leute waren sich unsicher, was sie noch tun sollen und fühlten sich mit ihren Ängsten alleine gelassen. Wären rasche Verbote da nicht der bessere Weg gewesen?
Die Schweizer Bevölkerung setzt Verbote nur dann um, wenn sie einen Sinn dahinter sieht. Wir sind da vielleicht etwas anders als andere Länder: In der Schweiz muss man den Leuten zuerst erklären, worum es geht. Der Aufwand lohnt sich, weil die Bürger nachher von sich aus mitmachen. Darf ich Ihnen ein Beispiel geben?
Bitte.
Vor vierzig Jahren hat man in der Schweiz das Gurtenobligatorium eingeführt. Wenige Monate später wurde die Pflicht, sich im Auto anzuschnallen, wieder aufgehoben: Die Leute wollten sich das nicht vorschreiben lassen. Daraufhin hat man der Bevölkerung ein Jahr lang erklärt, dass es sich beim Gurtenobligatorium nicht um eine Einschränkung der persönlichen Freiheit handelt, sondern dass damit schlimme Verletzungen verhindert werden. Daraufhin stimmte das Stimmvolk der Änderung zu.
Dennoch: Hat der Bundesrat mit seinem zögerlichen Verhalten nicht den zeitlichen Vorsprung verspielt, den man aufgrund der Erfahrungen in Italien hatte?
Niemand hatte vorausgesehen, wie schnell und dramatisch sich die Lage in Italien entwickelt ‒ weder wir noch die Italiener selber. Die Geschwindigkeit war enorm. Natürlich kann man jetzt sagen, man hätte den richtigen Zeitpunkt für solche Massnahmen berechnen können. Aber die Theorie lässt sich nicht immer eins zu eins in die Realität übertragen. Fussballspiele hätte man in Italien kaum absagen können, bevor es den ersten Todesfall gab.
Aber andere Länder haben früher reagiert als die Schweiz. Dänemark zum Beispiel hat bereits am Donnerstag bekannt gegeben, dass es alle Schulen schliessen wird.
Wir haben die Schulen auf den gleichen Zeitpunkt hin geschlossen wie andere europäische Länder. Auch in Dänemark bleiben die Schulen erst ab Montag zu. Und wir haben in den vergangenen Wochen erklärt, weshalb wir das bisher nicht machen wollten: Wir möchten verhindern, dass sich die Grosseltern um die Kinder kümmern müssen, wenn die Eltern arbeiten.
Und das wird jetzt nicht passieren?
Mittlerweile ist den Leuten bewusst, dass die älteren Menschen zur Risikogruppe gehören. Hätten wir bereits vor zehn Tagen die Schulen geschlossen, wäre dieser Effekt wohl eingetreten: Alle hätten das Grossmami angerufen, damit dieses nach den Enkelkindern schaut. Das wird jetzt nicht passieren. Schwieriger ist die Situation in Österreich oder Frankreich, wo die Behörden beide Botschaften gleichzeitig kommunizieren müssen: Dass die Schulen zu bleiben und die Grosseltern nicht die Enkel hüten sollen. Dies der Bevölkerung klarzumachen, wird nicht einfach werden.
Trotz der neuen Massnahmen bleiben kantonale Unterschiede bestehen. Wie erklären Sie der Bevölkerung, dass im Tessin Kinos und Fitnesszentren geschlossen sind, in Bern oder Basel aber offen bleiben?
Die Unterschiede sind sehr klein. Und ich denke, es macht durchaus Sinn, den Kantonen einen gewissen Spielraum zu überlassen. Sie können besser abschätzen, ob es noch weitere Massnahmen verträgt oder nicht.
Mit dem Ergebnis, dass erneut ein Flickenteppich entsteht.
Von einem Flickenteppich würde ich nicht sprechen. Vielleicht sind die farblichen Nuancen etwas unterschiedlich. Die Einheitlichkeit ist mit den neuen Regeln aber genügend gegeben.
Als weitere Neuerung dürfen sich in Restaurants und Cafés noch maximal 50 Personen aufhalten. An der Harvard University hingegen sind bereits Versammlungen von mehr als 25 Personen verboten. Ist der Bundesrat zu wenig strikt?
Es geht nicht darum, zu zählen, wie viele Personen sich in einem Raum aufhalten ‒ sondern dass sie sich nicht anstecken. Wenn 25 Personen zu nahe aufeinanderhocken, bringt das nichts. Und umgekehrt können 50 Personen in einem Restaurant so sitzen, dass sie sich nicht anstecken. Darum sind nicht nur die Zahlen entscheidend. Sondern dass die Leute wissen, wie sie sich verhalten müssen: Dass man Distanz wahren und die Hygienemassnahmen einhalten soll. Und natürlich geht es bei den Obergrenzen auch darum, die Übersichtlichkeit zu wahren.
Die Massnahmen des Bundesrats sind einschneidend ‒ und werden die Ausbreitung des Virus doch nicht verhindern. Wenn drastische Schritte nötig sind, warum geht man nicht gleich so weit wie in Italien?
Das Wichtigste ist, die Ausbreitung zu verlangsamen. Aber die Ansteckungen werden weitergehen. Erst, wenn das Virus niemanden mehr findet, weil alle schon krank waren und immun sind, verschwindet es wieder.
Und wenn die gesamte Schweiz sich zwei Wochen lang zu Hause einbunkern würde?
Das würde tatsächlich helfen, ist aber schlicht nicht praktikabel. Wir werden lernen müssen, mit dem Virus zu leben. Zumindest, bis ein Impfstoff erhältlich ist.
*Daniel Koch ist Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG)
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit, wie Sie sich selbst schützen können:
Hygienemassnahmen
- Hände regelmässig mit Wasser und Seife waschen und/oder Desinfektionsmittel nutzen.
- Nicht in Hände niesen oder husten, sondern Taschentuch oder Armbeuge nutzen. Taschentücher anschliessend sofort korrekt in geschlossenem Abfalleimer entsorgen.
- Bei Fieber und Husten zwingend zu Hause bleiben.
Kontakt minimieren
- Zu Hause blieben und Kontakte mit Personen möglichst minimieren. Nur in Ausnahmesituationen aus dem Haus gehen: Lebensmittel einkaufen / Arzt- oder Apothekenbesuch / Homeoffice ist für Ihre Arbeit nicht möglich / Sie müssen anderen Menschen helfen. Kontakt mit Personen vermeiden, die Atembeschwerden oder Husten haben.
- Wichtig: Keine Begrüssungsküsschen, keine Umarmungen, kein Händeschütteln.
- 2 Meter Abstand zu Mitmenschen halten, beispielsweise beim Anstehen oder bei Sitzungen.
- Öffentliche Verkehrsmittel meiden und Lieferdienste nutzen.
-
Bei Symptomen (Atembeschwerden, Husten oder Fieber) nicht in die Öffentlichkeit gehen und umgehend – unbedingt zuerst telefonisch – eine Ärztin, einen Arzt oder eine Gesundheitseinrichtung kontaktieren.
Informiert bleiben
- An die Regeln und Ansagen der Behörden halten. Infoline Coronavirus: 058 463 00 00, Info-Seite des BAG: bag-coronavirus.ch
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Hygienemassnahmen
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- Nicht in Hände niesen oder husten, sondern Taschentuch oder Armbeuge nutzen. Taschentücher anschliessend sofort korrekt in geschlossenem Abfalleimer entsorgen.
- Bei Fieber und Husten zwingend zu Hause bleiben.
Kontakt minimieren
- Zu Hause blieben und Kontakte mit Personen möglichst minimieren. Nur in Ausnahmesituationen aus dem Haus gehen: Lebensmittel einkaufen / Arzt- oder Apothekenbesuch / Homeoffice ist für Ihre Arbeit nicht möglich / Sie müssen anderen Menschen helfen. Kontakt mit Personen vermeiden, die Atembeschwerden oder Husten haben.
- Wichtig: Keine Begrüssungsküsschen, keine Umarmungen, kein Händeschütteln.
- 2 Meter Abstand zu Mitmenschen halten, beispielsweise beim Anstehen oder bei Sitzungen.
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-
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