Avenir Suisse will Hürden für direkte Demokratie erhöhen
100'000 Namen sind nicht genug

Pünktlich auf den 1. August provoziert der liberale Think Tank Avenir Suisse mit einer radikalen Forderung: Für eine Volksinitiative sollen künftig über 300'000 Unterschriften nötig sein. Weil es einfacher geworden sei, zu sammeln.
Publiziert: 30.07.2019 um 08:14 Uhr
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100'000 Unterschriften sind heute nötig, um eine Volksinitiative einzureichen.
Foto: Keystone
Sermîn Faki

100'000 Namen sind nicht mehr genug. Geht es nach Avenir Suisse, sollen in der Schweiz künftig dreimal so viele Leute eine Volksinitiative unterschreiben müssen, damit diese eingereicht werden kann. Diese Forderung findet sich in einem neuen Papier der liberalen Denkfabrik zur digitalen Demokratie, das heute Dienstag in Zürich präsentiert wird.

Die verdreifachte Anforderung soll nur für jene Initiativen gelten, die online auf Stimmenfang gehen. Wer ganz traditionell mit Unterschriftenbögen auf Strassen und Plätzen unterwegs ist, soll weiterhin nur 100'000 Stimmbürger überzeugen müssen. Und wer beide Kanäle nutzen will, irgendetwas dazwischen.

Kosten sinken mit Online-Sammlung

Avenir Suisse begründet seinen Vorschlag damit, dass die elektronische Unterschriftensammlung deutlich einfacher und günstiger sei als die herkömmliche. «Heute ist das Lancieren von Initiativen und Referenden mit erheblichen Kosten verbunden», schreiben die Autoren. «Gemeinhin rechnet man mit zwischen zwei bis sechs Franken pro Unterschrift.»

Die Digitalisierung erlaube es nun aber, diese Transaktionskosten radikal zu senken. Das wiederum werde dazu führen, dass viel mehr Vorlagen an die Urne gelangen – und den Bürger überfordern. Um dem entgegenzuwirken, schlägt Avenir Suisse vor, die Hürden zu erhöhen.

«Massive Einschränkung der Demokratie»

Bei den Gladiatoren der e-collecting-Szene kommt das schlecht an. «Das wäre eine massive Einschränkung der direkten Demokratie», sagt Daniel Graf, der mit wecollect.ch das erste ernstzunehmende Online-Sammelportal für Initiativen und Referenden aufgebaut hat.

Dabei biete die Digitalisierung die Chance, viel mehr Leute in den demokratischen Prozess einzubinden: Denn dank e-collecting könnten sich auch Leute einbringen, denen die Strukturen einer Partei oder eines Verbandes fehlen – ganz normale Bürger. Genau für diese seien die Volksrechte da, erinnert Graf im Gespräch mit BLICK – jene Gruppen, die eben nicht im Parlament sitzen. «Doch statt auf mehr Demokratie zu setzen, fordert Avenir Suisse nun weniger davon», resümiert er.

Support für e-Voting

Interessant auch: Während Avenir Suisse beim Unterschriftensammeln auf die Bremse steht, gibt sie beim digitalen Abstimmen Vollgas. Das so umstrittene e-Voting – erst kürzlich hatte ein Test im neuen System der Post eklatante Sicherheitslücken gezeigt – findet die volle Unterstützung des Think Tanks.

Angesehen davon, dass es gerade jüngere Generationen, die häufiger abstimmungsabstinent sind, an die Urne locken könnte, habe e-Voting noch andere Vorteile: So könne man die Anzahl ungültiger Stimmzettel verkleinern. Gerade bei Wahlen führe das komplizierte System mit Listen, auf denen fleissig kumuliert und panaschiert werden darf, oft zu Problemen. So seien bei den letzten Zürcher Gemeinderatswahlen in einem Wahlkreis 40 Prozent der eingegangen Wahlzettel ungültig gewesen. All das liesse sich mit e-Voting verhindern.

Analog abstimmen habe viel Manipulationspotenzial

Und was ist mit den Befürchtungen, das Online-Abstimmungen leichter manipuliert werden können? Hier sagt Avenir Suisse, dass die heutige Form der Stimmabgabe «überhöht» werde. Ironischerweise sei e-Voting viel sicherer als das heutige System, bei dem die Wahlbehörden gar nicht wissen können, ob alle Wahlunterlagen korrekt angekommen sind. Und zum Auszählen würden Zählmaschinen oder gar Waagen zur Hand genommen und Zwischenergebnisse in Excel-Tabellen notiert. All das berge ebenfalls Gefahren der Manipulation, werde aber nie thematisiert.

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