Auszahlung an Heim- und Verdingkinder zieht sich hin
Mit jedem Tag läuft ihm die Zeit davon

Roland Schopp wartet auf die Auszahlung des Solidaritätsbeitrags durch den Bund.
Publiziert: 02.07.2017 um 00:31 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 07:00 Uhr
Immer wieder kämpfte sich Roland Schopp hoch, immer wieder verlor er alles. Jetzt wartet er auf die Auszahlung des Solidaritätsbeitrags.
Foto: Sabine Wunderlin
Aline Wüst

Der Bund will Heim- und Verdingkinder finanziell entschädigen. Kommende Woche informiert das Bundesamt für Justiz über den Stand der Dinge. Darauf wartet auch Roland Schopp (70) aus Wattenwil BE. Er teilt sein Schicksal mit Tausenden.

Die ehemaligen Heim- und Verdingkinder sind alt, viele bereits gestorben. Auch Roland Schopp läuft die Zeit davon. Er hat zwar einen positiven Bescheid auf sein Gesuch bekommen. 25'000 Franken erhält er. Ausbezahlt wird das Geld aber frühestens im April 2018.

Schopp hat Krebs, die Metastasen sind überall in seinem Körper. Den Solidaritätsbeitrag des Bundes könnte er gut gebrauchen. Am liebsten für den Aufenthalt in einem Wellnesshotel. Schopp hofft, dass er sich diesen Traum noch erfüllen kann.

Roland Schopp zeigt SonntagsBlick-Redaktorin Aline Wüest Erinnerungen.
Foto: Sabine Wunderlin

«Viele werden das nicht mehr erleben.»

Historiker Thomas Huon­ker kennt das Problem. Länder wie Irland seien das Thema der einst misshandelten Jugendlichen schon in den 90er-Jahren angegangen, so konnten viele finanziell entschädigt werden. Dass nun auch die Auszahlung des Solidaritätsbeitrags so lange dauert, findet der Geschichtswissenschaftler unverständlich: «Viele werden das nicht mehr erleben.» Das Bundesamt für Justiz verweist auf die Verordnung: Ab April 2018 wird ausbezahlt, prioritär behandelt werden über 75-Jährige und Schwerkranke.

Unrecht hatte das Leben der Heim- und Verdingkinder geprägt. Auch das von Roland Schopp, der im Bündnerland als Sohn eines gewalttätigen Vaters aufwuchs. Als Fünfjähriger lief er von zu Hause weg, kam ins Heim und wurde dort von einer Aufseherin missbraucht. In der nächsten Anstalt verging sich der Vorsteher im Schweinestall an ihm. Dann kam er zu ­einem Bauern, der ihn hart arbeiten, kaum essen, aber bei sich im Bett schlafen liess. Schopp rannte immer wieder weg. «Volldebil» nannte ihn ein Psychiater. Niemand fragte ihn, vor was er davonlief.

Bundesrat bat um Entschuldigung

Um sein angeschlagene Selbstbewusstsein zu stärken, setzte Roland Schopp auf Bodybuilding.
Foto: Sabine Wunderlin

Irgendwann war die Kindheit vorbei. Das Gefühl, ein Niemand zu sein, ist ihm bis heute geblieben. Immer wieder kämpfte sich Schopp hoch, immer wieder verlor er alles – auch seine Frau. 

Dann endlich widmete sich die Politik diesem dunklen Kapitel der Schweizer Geschichte: Vor vier Jahren bat der Bundesrat die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen offiziell um Entschuldigung. 2016 sprach der Nationalrat Geld für eine Wiedergutmachung. Opfer können sich bis April 2018 melden.

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