Ankara ist erzürnt über ein in Genf ausgestelltes Foto, das den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kritisiert – und fordert die Entfernung des Bildes.
Bei Schweizer Aussenpolitikern kommt diese Forderung nicht gut an. Der neue CVP-Chef Gerhard Pfister, der in der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Nationalrats sitzt, sieht keinen Handlungsbedarf und macht klar: «Die Türkei kann das fordern. Aber die Schweiz wird auf die bei uns üblichen Freiheitsrechte verweisen müssen und diese Forderung ablehnen.»
Auch für die grüne Nationalrätin Sibel Arslan (BS) steht die Entfernung des Bildes ausser Frage. «Es geht einerseits um die Meinungsäusserungsfreiheit, aber ebenso um die künstlerische Freiheit des Fotografen. Die Schweiz muss entschieden darauf hinweisen, dass auch die Türkei selbst diese Freiheiten nicht einschränken darf.» Arslan macht sich aber auch Gedanken darüber, was mit jenen Menschen passiert, welche mit diesem Banner gegen Erdogan demonstriert haben. «Wenn ich sehe, wie sich der türkische Präsident alleine schon über das Foto ärgert, mache ich mir um die betroffenen Menschen echte Sorgen.»
«Zensur ist nicht zulässig»
Als «ganz einfach skandalös» erachtet SP-Nationalrat Carlo Sommaruga (GE) die türkische Einmischung zur Beschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit. «Die Selbstherrlichkeit von Herrn Erdogan hat in der Schweiz keinen Platz», sagt Sommaruga. Die Türkei habe schon früher im Zusammenhang mit einem Genozid-Mahnmal auf die Genfer Behörden Druck ausgeübt. «Ich hoffe, die Stadt Genf widersetzt sich dem ausländischen Druck im Namen unserer demokratischen Werte.»
Klartext spricht auch FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (ZH): «Eine Zensur von Meinungsäusserungen, ob verbal, schriftlich, visuell oder auf jegliche andere kulturelle Art, ist aufgrund unserer Verfassung nicht zulässig.» Dies müssten auch Staaten respektieren, welche in ihrer Gesetzgebung eine andere Gesellschaftskultur abbilden würden. «Dass hier die Genfer Regierung das Begehren aus Ankara überhaupt berät, erachte ich als falsch», erklärt Portmann. Sein Rat an die Genfer: «Hier ist einzig eine freundliche Rücksendung an den Absender mit Bezug auf unsere Verfassung und ohne Eintreten auf das Anliegen angebracht.»
Stimmt die Anschuldigung?
Zurückhaltender äussert sich Aussenpolitiker Maximilian Reimann (AG): «Entscheidend ist für mich, ob die Anschuldigung auf dem Transparent der Wahrheit entspricht oder nicht», sagt der SVP-Nationalrat. Stimme die Aussage, müsse das Bild auch nicht entfernt werden. «Ist die Anschuldigung aber nur erfunden, wird es problematisch – dann müsste man das Bild entfernen.» Für ihn ist klar, dass die Stadt Genf in der Pflicht steht: «Wenn Genf ihren öffentlichen Grund für diese Ausstellung zur Verfügung stellt, dann muss sie vorher auch abklären, ob der präsentierte Gehalt wahrheitsgetreu dargestellt wird.»
Die Genfer Stadtregierung will sich morgen Dienstag mit der Forderung der Türkei befassen.