Der Abstimmungskampf um die neue TV- und Radio-Abgabe läuft heiss. Und seit Freitag ist klar: Es wird knapp! Gemäss neuster Umfrage halten sich Befürworter und Gegner fast die Waage.
Bis anhin bezahlten TV-Zuschauer und Radiohörer eine Empfangsgebühr. Wer keine Geräte zum Empfang der SRG-Programme hatte, musste sie nicht bezahlen. Im neuen Gesetz ist eine Radio- und Fernsehabgabe fällig – jeder muss zahlen.
Das greifen Experten jetzt auf und prangern die Vorlage als illegal an. Peter Hettich, Professor an der Hochschule St. Gallen, sagt: «Die Vorlage verstösst gegen die Verfassung.» Wie kommt der Wirtschaftsrechtler zu diesem Schluss? «Jeder Haushalt muss die Abgabe entrichten, ob er eine Leistung bezieht oder nicht. Der Bund führt somit eine neue Steuer ein. Für eine neue Steuer braucht der Bund eine Verfassungsgrundlage.»
Der Bundesrat sieht das anders: Die neue Abgabe sei keine Steuer – aber auch keine Gebühr. Denn für beides bräuchte es eine Verfassungsgrundlage. Die Regierung drückt sich um eine Definition. Medienministerin Doris Leuthard sagte kürzlich an einem SRG-Podium: «Ob Steuer, Gebühr oder Abgabe – schlussendlich bekommt man einen Einzahlungsschein.»
Hettich nennt die Haltung des Bundesrats «schelmisch». «Indem der Bundesrat die neue Steuer nicht als Steuer deklariert, umgeht er eine Verfassungsänderung und somit eine zwingende Volksabstimmung.» Nur dank des Referendums des Gewerbeverbands darf das Volk überhaupt abstimmen.
Der emeritierte Verfassungsrechtler Rainer Schweizer teilt Hettichs Bedenken. Auch er sieht die neue Abgabe als Steuer: «Es fehlen die Kausalität und die Äquivalenz zwischen Leistung und Abgabe bei all den Haushalten, die eben keine Programme der SRG nutzen oder gar keine Geräte haben.» Um den Missstand zu erklären, zieht Schweizer einen Vergleich zur Autobahnabgabe: «Es kommt mir, unwissenschaftlich gesagt, vor, wie wenn man für Autobahnen eine Abgabe von allen Bewohnern erhebt, weil sie einmal als Beifahrer über eine Nationalstrasse fahren könnten.»
Weiteren Zündstoff liefert das Bundesgericht. In einem kürzlich publizierten Urteil bezeichnete es schon die heutige Empfangsgebühr als Steuer, trotz der Ausnahmen für Leute ohne Radio und Fernseher. Wegen dieses Urteils darf die Billag nun keine Mehrwertsteuer mehr verrechnen. Denn Steuern sind nicht mehrwertsteuerpflichtig. Ob die SRG respektive die Billag die zu Unrecht erhobenen 11.30 Franken pro Jahr rückerstatten muss, ist aber fraglich.