Die «Neue Zürcher Zeitung» hat in Deutschland eine ganz besondere Fangemeinde: Politiker, die drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall wieder vom Kampf gegen das «System» sprechen.
So geniesst die NZZ dank ihrer Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel und an der deutschen Flüchtlingspolitik bei der rechtspopulistischen AfD Kultstatus – davon zeugt aktuell ein Tweet der Parteiexponentin Beatrix von Storch: Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende hat am Donnerstag einen Aufruf der Schweizer Zeitung auf der Suche nach Volontären verbreitet.
Und wenn von Storch sich öffentlich äussert, sind das nicht bloss Worte. Es sind Peitschenknälle. «Auf! Bewerben! Ein bisschen Grundkenntnisse können nicht schaden!», schreibt sie (einst lautete eine schlüpfrige TV-Werbung «Ruf! Mich! An!»).
Bürgerliche Schweizer Presse als rechtes Ventil
Die teutonischen Bande zur Falkenstrasse haben einen Grund: In der polarisierten, reflexgesteuerten deutschen Debattenkultur fällt der bürgerlichen Schweizer Presse die Funktion als rechtes Ventil zu – allen voran der NZZ, aber auch «Weltwoche» und «Basler Zeitung».
In der NZZ kann man sich, anders als bei den deutschen Titeln, noch unverkrampft dem Patriotismus hingeben («Die Deutschen müssen ihre Nation endlich lieben lernen»). Bisweilen lässt sich das Feuilleton zu Deutschtümeleien verleiten; da gewähren Gastschreiber dem «Volk» in seinem Widerstand gegen die Elite noch eine Lobby («Nein, das sind nicht diese Dummdödel, von denen schlaue Journalisten gerne schwafeln»).
AfD-Führer lobt Schweizer Presse
Ein Satz ist im nördlichen Nachbarland bis hinein ins völkische Spektrum zum Bonmot geworden, den AfD-Führer Alexander Gauland gerne gebraucht: «Die Schweizer Zeitungen sind das neue Westfernsehen.»
Architekt der schwarz-rot-goldenen Expansion ist Eric Gujer. Der ehemalige Deutschland-Korrespondent begann die Auslandsoffensive mit seinem Amtsantritt als NZZ-Chefredaktor. Sein Newsletter «Der andere Blick», in dem er mit feiner Klinge gegen die Grosse Koalition in Berlin und gegen die Bürokraten in Brüssel anschreibt, gehört bei den rechtsnationalen Kadern längst zur Pflichtlektüre. Die Frage von SonntagsBlick, was er von der Umgarnung aus dieser Ecke hält, liess Gujer unbeantwortet.