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Auch Bürgerliche propagieren jetzt Alternative zu Billigflügen
Nachtzüge sollen wieder Fahrt aufnehmen

Mehr Nachtzüge statt Billigst-Flüge: Das fordern die Grünen schon lange. Nun springen die Bürgerlichen auf den Klima-Zug auf.
Publiziert: 17.06.2019 um 22:53 Uhr
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Aktualisiert: 14.07.2019 um 16:39 Uhr
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Von der Schweiz aus soll man wieder mehr ausländische Destinationen mit Nachtzügen erreichen können – dank Förderung durch den Bund.
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Pascal Tischhauser

Die Forderung nach mehr Nachtzügen nimmt Fahrt auf. Schon seit Jahren kämpfen grüne Politiker in der Schweiz für eine Stärkung der Reisen auf Schienen – bisher ohne Erfolg. Nun aber springen die Bürgerlichen auf den Klima-Zug auf. Per Vorstoss verlangt der CVP-Nationalrat Thomas Ammann (54) vom Bundesrat zu prüfen, ob die Schweiz wie andere europäische Länder Nachtzugverbindungen unterstützen könnte.

Die Landesregierung soll aufzeigen, welche Förderungsmöglichkeiten möglich sind und woher das Geld dafür kommen könnte – beispielsweise aus dem Emissionshandel. Vorstellbar wäre auch, dass das Geld aus einer Flugticket-Abgabe kommen könnte.

Nur noch ÖBB-Nachtzüge

Einst brachten Nachtzüge Schweizerinnen und Schweizer bis nach Brüssel, Barcelona, Rom und Kopenhagen. Billigflieger liessen die Nachfrage nach Nachtzügen einbrechen. Heute bietet die SBB selbst keine Nachtzüge mehr an. Von aus Zürich bietet die ÖBB direkte Nachtzüge nach Hamburg und Berlin sowie nach Budapest und Zagreb an. Tagsüber können per ICE der Deutschen Bahn viele Städte des nördlichen Nachbars direkt erreicht werden. Und mit dem TGV geht es nach Paris.

Doch wer auf dem Weg nach Rom in einer Metropole wie Mailand umsteigen muss, überlegt sich die Fahrt zweimal.

Für weitere Strecken sind Nachtzüge ideal. Sie machen Sinn, wenn der Passagier abends in Zürich einsteigen und morgens frisch und ausgeschlafen in Berlin oder Budapest aussteigen kann. Für die 4 Stunden nach Paris lohnt ein Schlafwagen nicht.

Breite bürgerliche Unterstützung

Lange waren die Grünen allein auf weiter Strecke, die wieder Nachtzüge wollten, jetzt sind die Weichen neu gestellt. Auf Druck der Klimastreiks fordern nun auch Bürgerliche Nachtzüge: Über 40 Nationalräte unterstützten das Postulat Ammanns. Vertreter von CVP, EVP, BDP, FDP und SVP sind dabei.

Nicht zu den Unterzeichnern gehört FDP-Präsidentin Petra Gössi (43). Auf den Vorstoss angesprochen sagt aber auch die oberste Freisinnige spontan: «Ich persönlich finde das eine gute Idee, die ich unterstütze.»

Zusammen mit den Stimmen von Grünen, Grünliberalen und der SP hat das Anliegen von CVP-Parlamentarier Ammann im Nationalrat eine Mehrheit. Der St. Galler ist überzeugt, dass es «mehr und schnellere Fernzüge» braucht. «Wenn wir ein attraktives Angebot schaffen, stellt sich auch die notwendige Nachfrage ein», so Ammann.

Schon heute prüfen die SBB, welche Nachtzugverbindungen sie – allenfalls zusammen mit ausländischen Partnerbahnen – einführen könnten. Das macht besonders Sinn, weil so günstige Nachtzugangebote möglich scheinen, die die Leute zum Umstieg auf die Bahn motivieren.

2009 ausrangiert

2009 hatten die SBB ihre letzten Schlafwagen ausrangiert. Das Geschäft mit den Nachtzügen rentierte nicht mehr. Heute sind die Voraussetzungen anders: Einige Nachtzugverbindungen ab der Schweiz sind derzeit so begehrt, dass sie auf Monate hinaus ausgebucht sind. In einer kürzlich durchgeführten VCS-Umfrage gab zudem fast jeder Zweite an, sich vorstellen zu können, mit dem Nachtzug zu reisen.

Laut Brancheninsidern braucht es aber verschiedene Massnahmen, um die gute Ausgangslage für Nachtzüge zu nutzen. Erstens die Verteuerung des Fliegens: Einerseits diskutiert das Parlament ja eine Flugticketabgabe und andererseits könnte neben den Flughäfen auch der Staat Gebühren für Start und Landung erheben. Andere Länder machen das bereits.

Zweitens müsste der Bund als Eigner der SBB bereit sein, für die Wiedereinführungsphase von Nachtzügen für einige Jahre ein Defizit zu akzeptieren, bis das Angebot von den Bahnkunden gut angenommen wird.

Unterstützung aus dem Verkehrsdepartement nötig

Zudem müssen die europäischen Partnerbahnen mitziehen: Wenn die SBB beispielsweise einen Nachtzug nach Rom und Neapel einführen will, sich die italiensche Bahn aber querstellen würde, das Verkehrsdepartement in Rom Druck machen. «Mit der neuen Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga haben wir aber eine Frau im Führerstand, der man das zutraut», so ein weiterer Insider.

Die Zeichen stehen gut, dass bald wieder Nachtzüge nach Barcelona oder zu Metropolen wie London fahren.

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