Die Schweiz schickt seit 2014 keine Asylsuchenden mehr nach Griechenland zurück – auch wenn dies nach den Regeln des Dublin-Abkommens möglich wäre. Die Schweiz nimmt damit Rücksicht auf die schwierige Situation des Mittelmeerstaats, der wegen des Syrien-Kriegs mit der Unterbringung besonders vieler Migranten fertig werden musste.
Am Montag und Dienstag weilt der Schweizer Staatssekretär für Migration, Mario Gattiker (62), zusammen mit dem Chef der Humanitären Hilfe beim Bund, Manuel Bessler (61), während einer Dienstreise in Griechenland. Bei verschiedenen Treffen wie etwa mit dem Migrationsminister Notis Mitarakis (47) soll eruiert werden, wie die Schweiz Griechenland im Asylbereich unterstützen kann. BLICK erreichte Gattiker in Athen am Telefon.
Mario Gattiker, Sie weilen in Griechenland. Konnten Sie sich auf der Insel Lesbos ein Bild von der humanitären Lage machen?
BLICK: Leider liess das die Sicherheitslage nicht zu. Derzeit kann keine ausländische Delegation Asyleinrichtungen auf den griechischen Inseln besuchen. Ich war heute aber in verschiedenen Ministerien in Athen. Wichtig ist, dass wir mit dem griechischen Migrationsminister Notis Mitarakis vereinbaren konnten, dass wir mit den griechischen Behörden enger zusammenarbeiten werden, um Athen zu unterstützen.
Worin wird die Hilfe bestehen?
Abschliessend kann ich das noch nicht sagen. Denn genau dazu sind wir hier: Wir wollen wissen, wo wir am effektivsten helfen können. Schon heute liefern wir Material wie Betten, haben Griechenland auch schon finanziell unterstützt und wir entsendeten Asylexperten. Es wird wohl weiterhin ein Mix sein.
Hat die griechische Seite denn Wünsche geäussert?
In der Tat. Athen möchte die Verfahren derjenigen Migranten, die objektiv betrachtet keinerlei Aussicht auf Asyl haben, rascher erledigen. Wer keinen Schutz braucht, soll direkt von einer griechischen Insel weg ins Herkunftsland zurückgeführt werden. Auch wir erledigen aussichtslose Verfahren neu besonders rasch. Griechenland möchte von unseren Erfahrungen profitieren.
Sie treffen in Athen auch eine Vereinbarung für minderjährige Flüchtlinge. Worum geht es da?
Frauen mit Kindern, aber eben auch Kinder und Jugendliche, die in den Kriegswirren ihre Eltern verloren haben, brauchen unseren besonderen Schutz. Die Nichtregierungsorganisation Zeuxis führt in Griechenland bereits eine Tagesstätte für Familien und ein Zentrum für minderjährige Mädchen, die ohne erwachsene Verwandte nach Griechenland kamen. Jetzt baut Zeuxis zudem noch ein Zentrum für rund 30 unbegleitete Buben auf. Das unterstützen wir.
Justizministerin Karin Keller-Sutter (56) will ja solche unbegleitete minderjährige Asylsuchende in die Schweiz holen.
Ja, Frau Bundesrätin Keller-Sutter möchte als humanitären Akt elternlose Minderjährige zu uns holen, wenn diese familiäre Beziehungen in der Schweiz haben. Wenn Verbindungen in unser Land bestehen, sollen diese Kinder und Jugendlichen die Chance haben, in ein familiäres Leben zurückzufinden.
An wieviele Kinder und Jugendliche denken Sie dabei?
Es geht wohl um einige Dutzend. Athen prüft die Dossiers der minderjährigen Asylsuchenden. Wenn sich zeigt, dass jemand Verwandte bei uns hat, können sie uns das melden. Letztlich dürften über diesen humanitären Weg vielleicht 50 bis 100 Kinder und Jugendliche aus Griechenland in die Schweiz kommen.