Herr Süssli, bis zu 8000 Armeeangehörige können zur Bewältigung der Pandemie aufgeboten werden. Wie viele Ihrer Leute stehen derzeit genau im Einsatz?Thomas Süssli: Derzeit gegen 200, aber das entwickelt sich rasch. Bis Ende Woche haben wir 2000 Armeeangehörige aufgeboten, die vier Tage nach Aufgebot, inklusive einer Auffrischung der Ausbildung, einsatzbereit sind.
Stehen weitere Kontingente bereit?
Bald schliessen zudem die Absolventen der Sanitäts- und Spitalrekrutenschulen ihre Fachausbildung ab, so kommen wir kommende oder nächste Woche auf etwa 3000 Armeeangehörige, die das Personal in den Spitälern entlasten können. Darüber hinaus können Rekruten ohne Spitalausbildung etwa in Altersheimen Betreuungsaufgaben übernehmen.
Wie viele Kantone haben die Armee bislang um Unterstützung ersucht?
Wir haben mittlerweile weit über 100 Gesuche aus der ganzen Schweiz. Die ersten Einsätze waren im Tessin, dann kamen andere Kantone dazu. Wir erleben eine sehr dynamische Entwicklung.
Gemäss Beschluss des Bundes-rats könnte die Armee auch die Polizei oder das Grenzwachtkorps unterstützen. Ist Ihnen wohl bei dem Gedanken?
Es könnte darum gehen, Botschaften zu schützen, damit die Polizei Kräfte freimachen kann. Gleiches gilt für das Grenzwachtkorps. Das Grenzwachtkorps hat ein solches Gesuch gestellt. Die Armee war und ist immer da, um zu helfen, zu schützen, zu retten und notfalls zu kämpfen. Das ist unsere Aufgabe. Und weil ich weiss, wie wir vorbereitet sind, kann ich sagen: Ja, bei diesem Gedanken ist mir wohl.
Warum üben die Sanitäts- soldaten ihren Dienst eigentlich im Tarnanzug aus?
Es sind immer noch Soldaten. Selbstverständlich werden unsere Leute, sobald sie in einer zivilen Umgebung tätig sind, Pflegekleidung tragen.
Wie lange dürfen Sie die WK-Soldaten einsetzen?
Gemäss Bundesratsbeschluss ist die Dauer des Assistenzdienstes offen. Wir legen die Priorität für Verlängerungen aber auf die Rekrutenschulen. Deren Angehörige sind in der Regel noch nicht in einer beruflichen Anstellung.
Nun werden historische Vergleiche herangezogen bis hin zur Generalmobilmachung 1939. Um kurz bei geschichtlichen Vergleichen zu bleiben: Eine von der Spanischen Grippe besonders stark betroffene Gruppe waren 1918 die Soldaten. Können Sie für die Unversehrtheit dieser Frauen und Männer garantieren?
Das kann im Moment niemand garantieren. Bis Ende Woche wurden 35 Armeeangehörige positiv auf das Coronavirus getestet. Die hygienischen Massnahmen wurden verschärft, also vermehrtes Händewaschen und konsequentes Social Distancing.
Wie wollen die Leute in der Armee genügend Abstand halten?
Wir verzichten auf vieles. Gegessen wird gestaffelt. Truppenteile werden in Turnhallen oder Hotels ausquartiert.
Und wie ist die Stimmung unter den Soldaten?
Anfang Woche habe ich ein Spitalbataillon besucht: Der Wille der Truppe, zu helfen, ist gross, die Ernsthaftigkeit mit Händen zu greifen. Zugleich spürt man aber auch den Druck, der auf ihr lastet.
Über die Anzahl Beatmungsgeräte der Armee kursieren verschiedene Angaben. Warum halten Sie die Zahl geheim?
Wir halten die Zahl nicht unter Verschluss. Wir verfügen derzeit über etwa 100 Beatmungsgeräte. Die Armee hat aber die Beschaffung von weiteren 900Beatmungs- und Monitoringgeräten in die Wege geleitet. Am Freitag traf eine erste Lieferung von 50 Geräten ein. Wichtig ist aber: Der Bundesstab Bevölkerungsschutz und nicht die Armee entscheidet über die Zuteilung der Geräte an die Kantone.
Haben Sie genügend ausgebildetes Personal, das die Geräte bedienen kann?
In diesem Umfang haben wir bisher keine Beatmungsgeräte eingesetzt, und wir werden das Personal noch an den neuen Geräten ausbilden.
Die Erfahrungen, welche die Armee in diesen Tagen und Wochen sammelt, sind prägend für eine ganze Generation von Soldaten und Offizieren. Inwiefern könnte die aktuelle Krise Folgen für die künftige Ausbildung und Schwerpunktsetzung der Armee haben?
Sicher analysieren wir laufend die Situation und ziehen schon heute unsere Schlüsse und nehmen Anpassungen vor. So haben wir die Entscheidungsketten verkürzt, um rascher handeln zu können. Das wird auch langfristig eine Rolle spielen.
Kann dieser Einsatz mit Blick auf die Akzeptanz der Armee in der Bevölkerung auch eine Chance sein?
Die Armee hat einen ernsthaften Auftrag: zu helfen, zu schützen, zu retten. Dieser Auftrag ist immer derselbe. Wir dürfen uns nicht aufdrängen, müssen aber bereit sein. Nun können wir beweisen, dass wir dieses Versprechen auch einhalten.