Archiv steht vor dem Aus
Politiker wollen Erbe von Frauenrechtlerin Gosteli retten

Ihr Leben lang hat sich Frauen-Aktivistin Marthe Gosteli (1917–2017) dafür eingesetzt, dass die Schweiz die Geschichte ihrer Frauen nicht vergisst. Nun droht ihrem Archiv das Ende. Die letzte Hoffnung: das Parlament.
Publiziert: 06.02.2020 um 08:39 Uhr
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Aktualisiert: 23.01.2021 um 20:34 Uhr
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Die Frauenrechtlerin Marthe Gosteli ist 2017 im Alter von 99 Jahren gestorben.
Foto: MONIKA FLÜCKIGER
Lea Hartmann

Marthe Gosteli, einst SVP-Mitglied, war eine der wichtigsten Feministinnen der Schweiz. Im Alter von 99 Jahren ist die Bernerin im Frühling 2017 gestorben – und hat dem Land ein bedeutendes Erbe hinterlassen: die Geschichte der Frauenbewegung des Landes in einem Archiv.

Würde man all die grauen und beigen Kartonschachteln aneinanderreihen, die Gosteli im herrschaftlichen Haus in Worblaufen bei Bern bis zu ihrem Tod mit akribisch gesammelten Unterlagen gefüllt hat, wäre die Aktenschlange fast einen Kilometer lang. Das Gosteli-Archiv enthält zum Beispiel historische Dokumente zum Kampf fürs Frauenstimmrecht und zahlreiche Unterlagen über wichtige Schweizerinnen inner- und ausserhalb der Politik.

Ausgerechnet im Jubiläumsjahr droht Aus

Nun droht dem Gosteli-Archiv das Aus. Die Stiftung, die sich um das Archiv kümmert, finanziert sich derzeit mit den letzten Franken von Gostelis Vermögen. Findet sich bis nächstes Jahr kein Geldgeber, muss die Sammlung aufgelöst werden. Ausgerechnet im Jahr, in dem das Frauenstimmrecht das 50-Jahr-Jubiläum feiert.

Aus Sicht der Stiftung wäre das eine «Tragödie für Bildung, Wissenschaft und Geschichte», sagt Kathrin Bertschy (40), Interims-Stiftungspräsidentin und Präsidentin des Frauendachverbands Alliance F. «Die Geschichte der Schweiz lässt sich ohne diese Dokumente nicht erzählen», so die GLP-Nationalrätin.

Zwei Millionen Franken pro Jahr

Bertschy hofft nun auf die Hilfe der Politik, um das Gosteli-Archiv zu retten. Knapp zwei Millionen Franken braucht die Stiftung pro Jahr. Und es gibt Hoffnung. Geht es nach der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats, soll der Bund die Hälfte übernehmen. In einem Vorstoss fordern die Kommissionsmitglieder, dass der Bund der Stiftung im Rahmen der Forschungsförderung unter die Arme greift.

Ein entsprechendes Gesuch hat die Stiftung selbst schon gestellt. Mit dem Vorstoss will ihm die Kommission mehr Gewicht geben. Denn vom Entscheid hängt für die Nachfolgerinnen von Gosteli viel ab: Nur wenn der Bund zahlt, will auch der Kanton Bern das Archiv unterstützen.

SVP stellt sich dagegen

Gegen die Finanzspritze stellt sich just die Partei, deren Mitglied Frauenrechtlerin Gosteli war. SVP-Nationalrat Peter Keller (48) betont, dass das Nein der SVP kein Nein zum Gosteli-Archiv an sich sei. Vielmehr gehe es um eine Frage der Zuständigkeit. «Kulturförderung ist primär eine Sache von Gemeinden und Kanton», sagt er. Ausserdem: Öffne man jetzt das Portemonnaie, stünden andere Archive nachher Schlange, fürchtet Keller.

Nebst der Variante, dass der Bund für das Archiv den Geldhahn öffnet, hat der Bundesrat noch eine andere Möglichkeit ins Spiel gebracht: Statt dass das Archiv so bestehen bleibt, könnte das Bundesarchiv in Bern all die gesammelten Akten übernehmen. Das allerdings kommt für die Stiftung nicht in Frage, wie Archivleiterin Silvia Bühler (41) klar macht.

«Marthe Gosteli hat das nicht gewollt – und wir müssen uns nach ihrem Stifterinnenwillen richten», erklärt sie. Ausserdem wäre die Geschichte der Frauen im Bundesarchiv nicht am richtigen Platz.» Schliesslich seien die Frauen bis 1971 nicht Teil des Staates gewesen.

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