Angela Merkel (63) duckt sich auch jetzt nicht vor ihrer Verpflichtung
Angeschlagen, aber nicht geschlagen

Nach den Wahlverlusten im September und dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen ist Kanzlerin Merkel schwer angeschlagen. Doch niemand sollte den Stehauf-Willen der Pastorentochter unterschätzen.
Publiziert: 20.11.2017 um 23:47 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:35 Uhr
«Ich fürchte gar nichts!»
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Merkel nach dem Jamaika-Aus:«Ich fürchte gar nichts!»
Von Johannes von Dohnanyi

Fast vier Wochen hatten die Vertreter der beiden christlichen Parteien CDU und CSU, der Liberalen (FDP) und der Grünen nach einem gemeinsamen Fundament für die erste Jamaika-Koalition auf Bundesebene gesucht. Bis in der Nacht zum Montag der FDP-Vorsitzende Christian Lindner (38) die Reissleine zog: «Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.» So überrumpelte er die Verhandlungspartner mit dem abrupten Ende der Sondierungsgespräche.

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Die Koalitionsverhandlungen sind gescheitert. Doch Angela Merkel hat nur Stunden nach der Niederlage schon wieder in den Wahlkampfmodus umgeschaltet.
Foto: Epa

Eine bedächtige Angela Merkel

Und Angela Merkel (63)? Die beschrieb ihren Gemütszustand nur Minuten nach der Hiobsbotschaft als «nicht sauer. Ich bin bedächtig.»

Ein typischer Satz der deutschen Kanzlerin, der angesichts der Wucht der politischen Krise wie auf sie selbst zugeschnitten scheint. Zwölf Jahre lang hat sie die Berliner Politik geführt. Es sind in der Mehrzahl sehr erfolgreiche Jahre in oft stürmischen Zeiten gewesen. Kein anderes EU-Mitglied hat etwa die von der internationalen Banken- und Finanzkrise verursachten Verwerfungen so gut überwunden wie die Bundesrepublik.

Kein anderer europäischer Regierungschef hat sich in der Flüchtlingskrise so eindeutig zu den unveräusserlichen Menschenrechten und den humanitären Verpflichtungen Europas bekannt wie Angela Merkel. Immer wieder hat sie auch der Hetze und dem Gepöbel der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) die Stirn geboten.

Kanzlerin Merkel ist sichtlich erschöpft. Aber ans Aufgeben denkt sie nicht.
Foto: ODD ANDERSEN

Die Stunde der Götterdämmerung

Mit dem Wahlausgang im September, spätestens aber seit dem Scheitern von «Jamaika» ist auch für die in der DDR aufgewachsene Tochter eines protestantischen Pfarrers die Stunde der Götterdämmerung angebrochen.

Hätte sie auf eine Kandidatur für eine vierte Amtszeit verzichtet, dann wäre ihr Platz im deutschen Geschichtsbuch wohl so gut wie makellos geblieben. Stattdessen fuhr die Christdemokratin für ihre Partei das schlechteste Wahlergebnis seit Jahrzehnten ein. Seitdem gab es auch aus den eigenen Reihen vereinzelt Rufe nach ihrem Rücktritt. Dermassen geschwächt ging sie in die Sondierungsgespräche. Und scheiterte!

Hohes Fachwissen auch im Detail. Sachliche Beharrlichkeit und eine unerschütterliche Ruhe – bis hin zur Sturköpfigkeit: Das waren die Markenzeichen von Angela Merkels politischem Erfolg. Angela Merkel ist keine, die sich in schwierigen Zeiten wegduckt.

Doch Neuwahlen?

Nur Stunden nach dem Ende der Jamaika-Sondierung unterrichtete sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (61) über die Ereignisse. Der will die bestehenden Optionen mit allen im Bundestag vertretenen Parteien – ausser der Linken und der AfD – noch einmal ausloten. Aber Merkels Jamaika-Partner können ohne Gesichtsverlust nicht so einfach an den Verhandlungstisch zurückkehren. Und die Sozialdemokraten haben eine Neuauflage der Grossen Koalition noch einmal kategorisch ausgeschlossen.

Also doch Neuwahlen? Merkel scheint sich mit dieser Aussicht anzufreunden. Nein, eine persönliche Mitschuld am Scheitern der Jamaika-Pläne sehe sie nicht, sagte sie im ZDF. Und nein, eine Minderheitsregierung halte sie für keine gute Lösung. Und daher werde alles vermutlich auf Neuwahlen hinauslaufen. Bei denen sie gemäss ihres Sommerversprechens erneut antreten werde.

Ihren Rücktritt als Dienst am Land, das hatte die SPD Merkel am Montag vorgeschlagen. Die antwortete mit einer eigenen Prioritätenliste: zuerst das Land, dann die Partei – und dann erst die eigene Person. Und im Übrigen, schoss die Kanzlerin zurück, lasse sie sich nicht erpressen.

So wie es aussieht, hat Angela Merkel nur Stunden nach der Niederlage schon wieder in den Wahlkampfmodus umgeschaltet.

Alle aktuellen News zur Regierungskrise in Deutschland nach Jamaika-Aus gibts im Ticker.

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