Er hatte das Bier schon kalt gestellt. Doch die Lust auf ein kühles Blondes wird ihm vergangen sein. Als Alain Berset (45) mit seinem Stab das Medienzentrum betritt, ist ihm der Ärger deutlich anzumerken. Er mag kaum ausharren, bis sein Kollege, Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (65), die Haltung des Bundesrats zur Ernährungssicherheit vom Blatt abgelesen hat.
Später in seiner Rede wird man nichts davon merken, wird er so smart sein wie immer. Doch der Mann ist geladen. Kein Wunder. Nach 20 Jahren missglückter AHV- und BVG-Reformen wagte er sich an den grossen Wurf – eine gemeinsame Reform der ersten und zweiten Säule. Seine Idee: Wenn Teilstücke keine Chance haben, dann vielleicht eine Gesamtschau.
Dieser Traum ist nun Geschichte. Volk und Stände haben Nein gesagt. Schlimmer hätte es gar nicht kommen können. Welch ein Debakel für den Freiburger, der sich schon als Rentenretter in die Geschichte eingehen sah. Mit all den Auftritten und Interviews – kaum ein Bundesrat in der jüngeren Geschichte hatte so viel Abstimmungskampf betrieben – hat er sein politisches Schicksal mit dieser einen Abstimmung verknüpft. Und sich verzockt.
Macht das Parlament nun selbst Nägel mit Köpfen?
Nun ist er besiegt worden. Als alter Hase, von der im Politikgeschäft vergleichsweise unerfahrenen FDP-Präsidentin Petra Gössi (41). Das wird an seinem Ego kratzen – und es wird ihn Einfluss im Bundesrat kosten. Da kann Berset noch so oft darauf hinweisen, dass eben nicht die Vorlage des Bundesrats gescheitert ist, sondern die des Parlaments. Dass die 70 Franken AHV-Zustupf gar nicht seine Idee waren, sondern die des Ständerats.
Nun will er mit dem Bundesrat das Ergebnis analysieren und alle beteiligten Akteure an einen Tisch bringen. Eine Auslegeordnung machen und dann entscheiden, was er dem Parlament vorlegen will. Dabei macht das Parlament vielleicht selbst Nägel mit Köpfen und übergeht den Bundesrat. «Ich bin hoch motiviert weiterzumachen», sagt er dennoch. Geht zurück in sein Büro – und gönnt sich wahrscheinlich ein Frust-Bier.