Leuthard tritt nach No Billag ab – das No-Billag-Lager freuts
«Sie hat alles gemacht, um die Diskussion über den Service public zu verhindern»

Zwölf anstrengende Jahre sind genug: Bundesrätin Doris Leuthard will schon im Frühling ihren Hut nehmen. Die CVP-Spitze schreibt bereits das Drehbuch für ihre Nachfolge. Hat dies Auswirkungen auf die No-Billag-Abstimmung?
Publiziert: 11.01.2018 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:15 Uhr
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1999, «Duschen mit Doris»: Die damals 36-jährige Doris Leuthard aus dem tief katholischen Aargauer Freiamt wird zur Nationalrätin gewählt. Im Wahlkampf hatte der damalige Parteisekretär der CVP Aargau, Reto Nause, Beutel mit Duschmitteln verteilen lassen. «Duschen mit Doris», obwohl das nicht drauf stand, wurde zur stehenden Wendung. Die populäre Nationalrätin wurde 2004 Parteichefin und stand für eine Erneuerung der CVP, die sich bei Wahlen auszahlte. «Leuthard-Effekt» hiess das.
Foto: CHRISTIAN BEUTLER
Pascal Tischhauser, Sermîn Faki, Andrea Willimann, Cinzia Venafro

Doris Leuthard (54) soll rascher zurücktreten als angenommen. Aus ihrem Umfeld wird klar signalisiert, dass es nach der No-Billag-Abstimmung sehr schnell gehen könnte mit dem Rücktritt der CVP-Bundesrätin.

Die Aargauerin hatte vergangenen August im Westschweizer Fernsehen erklärt, sie befinde sich am Ende ihrer letzten Legislatur. In Bundesbern gingen viele davon aus, dass Leuthard im Sommer oder Herbst 2018 gehen würde. 

«Sie ist müde», heisst es nun aber. Die Magistratin wolle noch die No-Billag-Abstimmung gewinnen und dann ihren Hut nehmen. «Der Abstimmungssonntag für die Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren wird zum Schicksalstag!», meint eine Weggefährtin. Wenn sie obsiegt, rechnen Insider mit der Rücktrittsankündigung in der dritten Woche der Frühlingssession. «Spätestens im April aber soll es so weit sein», so ein Eingeweihter.

Eiszeit mit Brüssel macht ihr zu schaffen

Leuthard mache auch zu schaffen, dass ihr im Bundesrat die neue Eiszeit mit Brüssel angekreidet wird. Die einen finden, man hätte den Kohäsionsbeitrag bereits im Sommer sprechen sollen, die anderen meinen, statt für den Fototermin mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (63) in Bern hätte man die 1,3-Milliarden-Osthilfe als Pfand in den Verhandlungen einsetzen sollen.

Der Frühling wäre ideal für ihre Demission: Die Wahl des Nachfolgers oder der Nachfolgerin würde am 6. Juni stattfinden – und damit fast auf den Tag genau zwölf Jahre nach Leuthards eigener Wahl in die Landesregierung. «Sie denkt in solchen Dimensionen», sagt ein Vertrauter.

Eine erfolgreiche Politkarriere

Ihre Politkarriere ist nicht nur lang, sie verlief auch äusserst erfolgreich. Lange Jahre haftete an ihr der Nimbus, eine Staatsfrau zu sein, der alles gelingt. Kein Urnengang, aus dem sie nicht als Siegerin hervorging – bis dann die Zweitwohnungsinitiative und die Erhöhung des Vignettenpreises scheiterten. Ihrer Beliebtheit tat das keinen Abbruch.

In der Bevölkerung ist Leuthard seit Jahren das populärste Mitglied der Landesregierung. Auch in anderen Parteien werden der CVPlerin besondere Fähigkeiten attestiert – was man von anderen Bundesräten selten hört.

Leuthards Departement äussert sich nicht zu den BLICK-Recherchen. Der Rücktritt sei eine persönliche Angelegenheit, daher rede die Bundesrätin darüber mit niemandem, bis es so weit sei, sagt Sprecherin Annetta Bundi. «Die Gerüchteküche kommentieren wir daher nicht.»

Der Abgang wird vorbereitet

BLICK weiss aber: Die CVP rüstet sich für den Abgang. In diesen Tagen entsteht das Drehbuch. Es wird bestimmt, wer in der Findungskommission für Leuthards Nachfolge sitzen soll und wann die  Nominationsfrist endet. 24 Stunden nach der Rücktrittsankündigung will man parat sein. 

«Das Drehbuch verdeutlicht, dass die Spitze mit ihrem baldigen Abgang rechnet», sagt ein Parteimitglied. Und es zeige, dass die CVP aus dem Rücktritt des FDP-Bundesrats Didier Burkhalter (57) vor einem halben Jahr gelernt hat. Die plötzliche Demission des Romands hatte seiner Partei einige hektische Momente und Präsidentin Petra Gössi (41) einen arbeitsreichen Sommer beschert.

Konsequenzen für No-Billag-Abstimmung ?

Beeinflusst der nahende Rücktritt den Ausgang der No-Billag-Abstimmung? Niemand wagt diese Prognose: «Der mögliche Rücktritt Leuthards hat keinen Einfluss auf unseren Kampf gegen die destruktive No-Billag-Initiative», sagt Mark Balsiger, Kampagnenleiter von «Nein zum Sendeschluss».

«Inzwischen ging ein Ruck durch die Zivilgesellschaft.» Das sei entscheidend. Der «wirre Plan B» von Bigler & Co. habe viele aufgeschreckt. Für SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher (53, TG ) wäre «eine unabhängige Berichterstattung bei einem Ja nicht mehr möglich». Der mögliche Abgang der glaubwürdigen Bundesrätin habe für die Abstimmung vom 4. März aber keine Konsequenzen.

No-Billag-Lager: Rücktritt ist «erfreulich»

Beim Pro-No-Billag-Lager freut man sich derweil: «Frau Leuthard ist für den Heimatschutzzustand der SRG mitverantwortlich. Sie hat alles gemacht, um die Diskussion über den Service public zu verhindern», so Gregor Rutz (45, SVP/ZH ).

Darum sei es «erfreulich», wenn sie gehe. Ähnlich sieht das Andreas Kleeb. Der No-Billag-Kampagnenchef will schon Anzeichen für ihren Abgang ausgemacht haben: Dass die Bundesrätin die No-Billag-Pressekonferenz vorgezogen habe, «war die Handschrift einer zunehmend müden und nicht mehr geduldigen Bundesrätin».

Was ist mit Maurer und Schneider-Ammann?

Doris Leuthard bereitet ihr Leben nach dem Bundesrat vor. Sie ist die amts­älteste Magistratin, mit 54 Jahren bei weitem aber nicht die ­älteste. Könnte es also zu einem Mehrfachrücktritt kommen? Bis jetzt deutet nichts darauf hin. Die beiden älteren Herren im Bundesrat – Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (65) und Finanzminister Ueli Maurer (67) – wollen noch nichts von einem Rücktritt wissen. «Ich höre sicher auch mal Ende Legislatur auf. Aber ich weiss noch nicht, ob 2023, 2027 oder 2031», scherzte Maurer letzten Sommer. Obwohl er nicht den Eindruck vermittelt, als habe ihm der Wechsel ins trockene Fach der Finanzen gut getan.

Auch Schneider-Ammann macht immer wieder einen ­müden Eindruck – besonders in seinem Präsidialjahr 2016. Dennoch betont der Wirtschafts­minister immer wieder, dass er bis Ende 2019 im Amt bleiben will. Dass das Taktik ist, passt nicht zu Schneider-Ammann.

Bei Maurer sieht das anders aus. Schon bei seinem Rücktritt als Parteipräsident 2008 hatte er mit der Öffentlichkeit Katz und Maus gespielt.

Doris Leuthard bereitet ihr Leben nach dem Bundesrat vor. Sie ist die amts­älteste Magistratin, mit 54 Jahren bei weitem aber nicht die ­älteste. Könnte es also zu einem Mehrfachrücktritt kommen? Bis jetzt deutet nichts darauf hin. Die beiden älteren Herren im Bundesrat – Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (65) und Finanzminister Ueli Maurer (67) – wollen noch nichts von einem Rücktritt wissen. «Ich höre sicher auch mal Ende Legislatur auf. Aber ich weiss noch nicht, ob 2023, 2027 oder 2031», scherzte Maurer letzten Sommer. Obwohl er nicht den Eindruck vermittelt, als habe ihm der Wechsel ins trockene Fach der Finanzen gut getan.

Auch Schneider-Ammann macht immer wieder einen ­müden Eindruck – besonders in seinem Präsidialjahr 2016. Dennoch betont der Wirtschafts­minister immer wieder, dass er bis Ende 2019 im Amt bleiben will. Dass das Taktik ist, passt nicht zu Schneider-Ammann.

Bei Maurer sieht das anders aus. Schon bei seinem Rücktritt als Parteipräsident 2008 hatte er mit der Öffentlichkeit Katz und Maus gespielt.

Leuthard tritt erstmals gegen No-Billag-Aushängeschild an

Showdown am 17. Januar im Hotel Schweizerhof in Luzern. Bei der Veranstaltungsreihe BLICK on tour kommt es endlich zum grossen Duell der beiden Hauptkontrahenten in der No-Billag-Schlacht. Bundesrätin Doris Leuthard wird sich ein Rededuell mit No-Billag-Initiant Olivier Kessler liefern. An Leuthards Seite kämpft SRG-Generaldirektor Gilles Marchand für ein Nein. Kessler kann auf die Schützenhilfe von SVP-Nationalrat Lukas Reimann zählen.

Um 18.30 Uhr beginnt die Debatte. Der Eintritt ist frei.

Wissen, in welche Richtung man geht: Doris Leuthard wünscht sich eine grundlegende Europa-Abstimmung.
Wissen, in welche Richtung man geht: Doris Leuthard wünscht sich eine grundlegende Europa-Abstimmung.
KEYSTONE/SALVATORE DI NOLFI

Showdown am 17. Januar im Hotel Schweizerhof in Luzern. Bei der Veranstaltungsreihe BLICK on tour kommt es endlich zum grossen Duell der beiden Hauptkontrahenten in der No-Billag-Schlacht. Bundesrätin Doris Leuthard wird sich ein Rededuell mit No-Billag-Initiant Olivier Kessler liefern. An Leuthards Seite kämpft SRG-Generaldirektor Gilles Marchand für ein Nein. Kessler kann auf die Schützenhilfe von SVP-Nationalrat Lukas Reimann zählen.

Um 18.30 Uhr beginnt die Debatte. Der Eintritt ist frei.

Leuthards Ziel, Leuthards Drama

Die Normalisierung mit der EU war Ziel ihres Bundespräsidiums: Im April besucht CVP-Magistratin Doris Leuthard EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel; «Deblockade» ist das Wort der Stunde. Es folgt der Durchbruch bei Wirtschaftsabkommen. Im November holt sie Juncker nach Bern. Küsschen hier, Küsschen da.

Dann die Eskalation: Von ihr gibts 1,3 Milliarden Franken für Osthilfe und Grenzschutz. Er will im Gegenzug Fortschritte im Rahmenabkommen. Und redet vom Frühling 2018. Doch Bundesratssprecher André Simonazzi widerspricht im BLICK – zum Ärger Junckers. Es folgt die Schikane bei der Anerkennung der Schweizer Börsen. Dann tritt Leuthard vor die Medien, spricht von illegaler «Diskriminierung» und stellt die Osthilfe in Frage. Vorläufiges Resultat: ein Scherbenhaufen.

Die Normalisierung mit der EU war Ziel ihres Bundespräsidiums: Im April besucht CVP-Magistratin Doris Leuthard EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel; «Deblockade» ist das Wort der Stunde. Es folgt der Durchbruch bei Wirtschaftsabkommen. Im November holt sie Juncker nach Bern. Küsschen hier, Küsschen da.

Dann die Eskalation: Von ihr gibts 1,3 Milliarden Franken für Osthilfe und Grenzschutz. Er will im Gegenzug Fortschritte im Rahmenabkommen. Und redet vom Frühling 2018. Doch Bundesratssprecher André Simonazzi widerspricht im BLICK – zum Ärger Junckers. Es folgt die Schikane bei der Anerkennung der Schweizer Börsen. Dann tritt Leuthard vor die Medien, spricht von illegaler «Diskriminierung» und stellt die Osthilfe in Frage. Vorläufiges Resultat: ein Scherbenhaufen.

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