So will der Bundesrat die AHV retten
1,5 Prozent mehr Mehrwertsteuer, Rentenalter 65 für Frauen

Frauenrentenalter 65 und 1,5 Prozent mehr Mehrwertsteuer – diese Pfeiler sollen die Sanierung der AHV tragen. Zückerli wie in der letzten Reform gibt es nur für Frauen, die heute mindestens 52 Jahre alt sind.
Publiziert: 28.06.2018 um 08:31 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:20 Uhr
«Die Flexibilisierung bleibt ein Thema»
1:32
Alain Berset über die AHV:«Die Flexibilisierung bleibt ein Thema»
Sermîn Faki

Kernstück der Vorlage von Sozialminister Alain Berset (46) zur Sanierung der AHV ist die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre. Das Rentenalter soll ab 2022 jährlich um drei Monate erhöht werden. Das würde die AHV bis 2030 um 10 Milliarden Franken entlasten.

Ältere Frauen bekommen ein Zückerli

Die Erhöhung wird aber abgefedert für Frauen, die heute zwischen 52 und 60 Jahre alt sind. Der Bundesrat schlägt zwei Varianten vor.

  1. Wenn sich diese Frauen doch mit 64 pensionieren lassen wollen, sollen ihre AHV-Renten weniger stark gekürzt werden. Verdienen sie unter 56'400 Franken im Jahr, ist der Vorbezug der Rente sogar ohne Kürzung möglich. Von dieser Massnahme profitieren also vor allem Frauen, die wenig verdienen. Gemäss Schätzungen würden etwa 25 Prozent der Frauen mit den Jahrgängen 1958 bis 1966 diese vorzeitige Pensionierung nutzen. Die Kosten schätzt der Bundesrat auf 400 Millionen.
     
  2. Zusätzliche zu den weniger starken Kürzungen aus Variante 1 will der Bundesrat die Frauen aus diesen Jahrgängen belohnen, wenn sie bis 65 oder länger arbeiten. Sie sollen pro Monat durchschnittlich 70 Franken mehr Rente erhalten. Wer derzeit 42 300 Franken im Jahr verdient, bekäme sogar 214 Franken mehr Rente. Der Bundesrat geht davon aus, dass das etwa 54 Prozent der Frauen aus den Jahrgängen 1958 bis 1966 nutzen würden. Die Kosten schätzt er auf 800 Millionen Franken.

Die Mehrwertsteuer muss rauf

Bundespräsident Alain Berset stellt seine Vorschläge zur Sanierung der AHV vor.
Foto: Keystone

Die knapp 10 Milliarden Franken, welche die Frauen zur Entlastung der AHV beitragen, reichen aber nicht aus, um diese zu sanieren – zumal sich dieser Betrag auf 6,2 Milliarden verringern würde, wenn sich die Kompensationsmassnahme 2 durchsetzt.

Das heisst: Die AHV braucht immer noch Geld. Das will der Bundesrat durch die Mehrwertsteuer eintreiben. Er schlägt vor, diese um 1,5 Prozentpunkte zu erhöhen. Der Normalsatz wird von 7,7 auf 9,2 Prozent erhöht, der Satz für die Güter des täglichen Bedarfs von 2,5 auf 3 Prozent und der Sondersatz für das Tourismusgewerbe von 3,7 auf 4,4 Prozent.

Eine Reform mit Unsicherheiten

Doch daran könnte noch geschraubt werden. Denn der Ständerat hat die Reform der Unternehmenssteuern mit der AHV verknüpft: Als «sozialen» Ausgleich für die Senkung der Gewinnsteuern für Unternehmen soll die AHV zusätzlich Geld bekommen, finanziert durch den Bund und durch zusätzliche Lohnprozente.

Setzt sich dieser Kuhhandel auch im Nationalrat durch, hätte das Auswirkungen auf Bersets Vorschläge. Dann bräuchte die AHV nämlich nur noch 23 Milliarden Franken. Berset schlägt vor, die Mehrwertsteuer in diesem Fall nur um 0,7 Prozentpunkte zu erhöhen.

Das dürfte zu reden geben. Unbestrittene Massnahmen sieht Bersets Vorschlag aber auch vor:

  • Der Zeitpunkt der Pensionierung wird flexibilisiert: Zwischen 62 und 70 Jahren kann die ganze AHV-Rente oder ein Teil davon bezogen werden. Der minimale Teil beträgt 20 Prozent, der maximale Teil beträgt 80 Prozent.
     
  • Das Referenzalter 65 sowie die Flexibilisierung zwischen 62 und 70 Jahren werden auch in der zweiten Säule verankert.
     
  • Die Weiterarbeit nach dem Referenzalter wird mit Anreizen gefördert. Wer nach der Rente weiterarbeitet, soll bis zu einem Einkommen von 1400 Franken keine AHV-Beiträge zahlen müssen. Kleinere Einkommen sind weiterhin nicht beitragspflichtig. Der monatliche Freibetrag beträgt 1400 Franken. Zudem können mit Beiträgen nach dem Referenzalter die AHV-Rente verbessert und Beitragslücken geschlossen werden.

Berset betonte an der Medienkonferenz, wie dringlich eine Reform sei. Die AHV ist unter Druck. Seit 2014 gibt das wichtigste Sozialwerk der Schweiz mehr durch Rentenzahlungen aus, als es über Beiträge einnimmt. Wird nichts gemacht, vergrössert sich dieses Umlagedefizit bis 2030 auf 43 Milliarden Franken. Denn in den nächsten Jahren erreichen immer mehr Schweizer das Rentenalter. Heute gibt es rund 2,6 Millionen AHV-Rentner, im Jahr 2030 werden es 3,6 Millionen sein.

Der Bundesrat gibt diese Vorschläge nun in die Vernehmlassung. Diese dauert bis in den Herbst. Angesichts der Dringlichkeit will der Bundesrat dem Parlament die Botschaft bis im Frühling 2019 unterbreiten.

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