77 Zentimeter Neuschnee im Engadin
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Schneewahnsinn in Graubünden:77 Zentimeter Neuschnee im Engadin

Oberengadin erlebt ein verfrühtes Wintermärchen – da staunen sogar die Einheimischen
«Ich habe hier im November noch nie so viel Schnee gesehen»

Die Bündner Gemeinden Samedan und St. Moritz versinken im Schnee. BLICK hat das Oberengadin besucht und herausgefunden, mit welchen Problemen die Einheimischen jetzt im Alltag kämpfen müssen.
Publiziert: 19.11.2019 um 22:59 Uhr
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Aktualisiert: 20.11.2019 um 13:02 Uhr
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Samedan GR hat einen neuen Schnee-Rekord für den Monat November.
Foto: Siggi Bucher
Anastasia Mamonova (Text) und Siggi Bucher (Fotos)

Seit Sonntag ist Samedan GR einsame Spitze: Im Ort fielen 77 Zentimeter Neuschnee – und ein 19 Jahre alter Rekord wurde gebrochen. Damals wurden «nur» 64 Zentimeter Neuschnee gemessen. Kein lokales Phänomen: Auch im benachbarten St. Moritz sind am Wochenende stolze 74 Zentimeter heruntergekommen.

Eine Herkulesaufgabe für Mensch und Maschine. «Meine Kollegen und ich müssen jetzt viel länger Schnee schaufeln und haben somit ziemlich lange Tage», sagt Werkhof-Arbeiter Laszlo Negyesi (46) aus St. Moritz zu BLICK. Er ergänzt: «Wir freuen uns zwar, dass alles so schön weiss ist, aber aus unserer Sicht ist es etwas zu viel Schnee im Moment.»

Landwirte stehen vor Herausforderungen

Bauer und Schriftsteller Göri Klainguti (74) aus Samedan pflichtet ihm bei. «Es ist zwar schön zum Anschauen, aber für den Bauernhof ist es nicht angenehm. Wir können unsere Tiere leider nicht mehr draussen füttern.» Auch Landwirt Egon Polin (67) kämpft noch mit den neuen Schneemassen. Der Samedner muss jeden Tag um 5.30 Uhr aufstehen und bis zu 1½ Stunden pro Tag Schnee vom Dach schaufeln: «Das ist schon verrückt, gestern dachte ich, da werde ich nicht mehr fertig.»

Seine Frau Emerita (70) nickt zustimmend: «Das gibt schon eine Menge Arbeit. Zum Glück nicht für mich, sondern für meinen Mann.» Sie fügt aufmunternd an: «Aber der Schnee geht auch irgendwann weg. Wir freuen uns auch über das Wintermärchen.» Am Wochenende machte das Ehepaar einen Abendspaziergang – um den Wintereinbruch zu zweit zu geniessen. «Das war alles so schön, so richtig romantisch. Aber am nächsten Tag haben sie schon überall Salz gestreut, dann wurde es richtig grusig», ärgert sich die Rentnerin.

Zuletzt gab es vor 40 Jahren solche Zustände

Eine solche Menge Schnee im Herbst hat Polin zuletzt vor 40 Jahren gesehen. «Da hatte ich die Klassenzusammenkunft», erinnert sich die Seniorin. In den letzten Jahren sei es aber schneetechnisch nie mehr wie früher gewesen. «Für die Skiregion ist das nun was Tolles. Es soll einfach nicht zu viel sein, weil dann die Lawinen kommen», sagt sie warnend. Auch für die Familie selbst hat der Schnee etwas Gutes. Denn: «Wir haben eine eigene Wasserquelle und wenns keinen Schnee hat, dann gefriert sie. Doch dieses Mal sind wir für den ganzen Winter abgesichert.»

Der verfrühte Wintereinbruch hat auch Ivo Morgenthaler (52) überrascht. Der Wart des Campings Gravatscha in Samedan muss trotz Zwischensaison nun Schnee von den Dächern räumen. «Ich merke schon den Muskelkater», sagt er, während er mit der Schaufel in der Hand die rutschige Treppe runtersteigt. Schnaufend sagt er: «Ich würde eigentlich noch lieber auf der grünen Wiese spazieren. Aber ich denke, ganz viele Menschen sind zufrieden und beruhigt, dass die Wintersaison so gut startet.»

Die Kinder lieben es

Ginge es nach Corina Borromini (32) aus St. Moritz, hätte der Schnee ebenfalls noch bis Weihnachten warten können: «Seit ich mich erinnern kann, habe ich hier noch nie so viel Schnee gesehen, und für mich persönlich kommt die Masse zu früh.» Ihre Kinder würden sich dagegen umso mehr über die weissen Flocken freuen. Töchterchen Giada (3) schmeisst mit Vorliebe runde Schneebälle herum. Einzig der Kinderwagen bereite der zweifachen Mutter etwas Mühe: «Es ist schon nicht ganz so einfach mit dem vielen Schnee, aber wir laufen dann einfach nicht zu weit oder nehmen den Schlitten mit.»

Auch die kleine Daria (3) kriegt vom Schnee nicht genug. Kaum hat der Bagger den nächsten Haufen deponiert, klettert das Mädchen den Mini-Berg hoch. Ihre Mutter Silvana Florin (35) freut sich, dass die Pisten dieses Jahr erstmals ohne künstlichen Schnee auskommen. «Das ist schon cool für den Moment. Aber jetzt ist genug, sonst versinken wir im Schnee», sagt Florin. Ihr Wunsch: «Nur an Weihnachten kann es aber sehr gerne noch mal schneien!»

Quasi-Garantie für weisse Weihnacht

Obwohl in Samedan in den nächsten Tagen nur noch wenig Schnee fallen wird, steht einer weisser Weihnacht trotzdem wenig im Wege. Patrick Suter von Meteonews versichert BLICK: «Durch die Mengen, die jetzt schon gefallen sind, und mit dem Schnee, der im Normalfall bis Ende Dezember noch kommt, sollte es für weisse Weihnachten im Oberengadin schon reichen.»

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