Jahrhundertelang stritten Forscher sich darüber, ob dem Nil oder dem Amazonas der Titel «Längster Fluss der Erde» gebührt. Seit Ende der 60er-Jahre galt der Nil mit 6671 Kilometern als sicherer Sieger. Dem Amazonas fehlten153 Kilometer im Vergleich zu seinem afrikanischen Konkurrenten. Jetzt behaupten brasilianische Geografen, dass der Amazonas in Wirklichkeit rund 6800 Kilometer lang sei.
Die Forscher des brasilianischen Nationalinstitutes für Statistik und Geographie haben auf einer 14-tägigen Expedition auf dem peruanischen Berg Mismi eine neue Quelle des Amazonas entdeckt – rund 300 Kilometer von der bislang anerkannten Quelle entfernt.
Unübersichtliches Gebiet
Tatsächlich wäre es möglich, dass die wahre Quelle des Amazonas über Jahrhunderte hinweg übersehen wurde. Das Quellgebiet liegt in einer schwer zugänglichen Region in über 5000 Meter Höhe in den Anden. Zudem ist das Amazonas-Gebiet ein übersichtliches Gewirr aus mehreren tausend Flüssen. Deren Ausmasse machen es nicht leicht, eindeutige Aussagen zu treffen. Mehr als ein Dutzend der Nebenflüsse sind länger als der Rhein. Der Amazonas selbst ist auf einer Strecke von rund 2000 Kilometern durchschnittlich fünf Kilometer breit – der Rhein bringt es an seiner breitesten Stelle gerade mal auf 800 Meter – und breitet sich bei Hochwasser auf bis zu 120 Kilometer aus. An einigen Stellen, wie im peruanischen Iquitos, ist der Strom bis zu 100 Meter tief.
Noch sind die Erkenntnisse der Forscher nicht offiziell anerkannt. Voraussetzung dafür wäre, dass die neu entdeckte Quelle ganzjährig fliesst und nicht zwischenzeitlich austrocknet. Auch die Frage, wo genau der Fluss innerhalb seines bis zu 250 Kilometer breiten Deltas endet, ist nicht eindeutig geklärt. Bis dahin bleibt zumindest die Gewissheit über einen Rekord: Der Amazonas ist der wasserreichste Fluss der Welt und befördert mehr Wasser ins Meer als der Nil und zehn der nächstgrössten Flüsse zusammen.