Die nachtaktiven Grauen Mausmaki mit ihren riesigen Knopfaugen wiegen gerade einmal sechzig Gramm und hangeln sich in den Wäldern Madagaskars von Ast zu Ast. Diese knuffigen Tiere unterzogen die Forschenden um den Neurobiologen Daniel Huber von der Universität Genf gemeinsam mit Kollegen des Max-Planck-Instituts in Göttingen und dem Naturgeschichtlichen Museum in Paris einem Sehtest.
Sie beobachteten, wie viele Neuronen im Gehirn aktiv sind, wenn die Forschenden sie vor Bildschirme setzten, die geometrische Formen zeigten. «Wir erwarteten, eine winzige Einheit zu sehen, die proportional zur kleinen Grösse des Lemurs», sagte Huber gemäss einer Mitteilung der Uni Genf.
Aber das überraschende Ergebnis: Indem das Team die Daten der Mausmaki mit denen von anderen Primaten verglichen, fanden sie heraus, dass jede Recheneinheit in allen Arten gleich viele Neuronen besitzen - nämlich 40'000 - und etwa einen halben Millimeter Durchmesser aufweisen. Offensichtlich lässt sich das Sehsystem nicht komprimieren oder miniaturisieren, weil eine feste Anzahl von Neuronen erforderlich ist, um seine optimale Funktion zu entfalten.
Würde man die visuellen Recheneinheiten eines Mausmaki und eines Menschen untersuchen, wäre es praktisch unmöglich, einen Unterschied zu erkennen, so die Forschenden. Demnach sehen die kleinen Tiere pro Recheneinheit genauso scharf. Weil allerdings die Augen des Menschen grösser sind und damit insgesamt mehr Recheneinheiten besitzen, nehmen sie die Welt trotzdem schärfer wahr.
Die Mausmakis teilen viele Eigenschaften mit den allerersten Primaten, die sich vor etwa 55 Millionen Jahren entwickelten. Daher schliessen die Forschenden aus den im Fachmagazin «Current Biology» veröffentlichten Ergebnisse, dass das Sehvermögen bei Primaten bereits seit Urzeiten ausgesprochen ausgeprägt war.
(SDA)